Am Sonntag war es mal wieder so weit: ein Oberligaspiel stand an und - üblichwerweise der Schreck eines jeden Schachspielers - es fand nicht im heimischen Turm statt. Zu unserem Glück war unser Gegner aber auch "nur" der Hamelner SV, die Anfahrt also kein so großes Problem. Einen Spieler hatten wir vorausgeschickt, um die Aufstellung abzugeben (danke, Attila!), der Rest kam mit der (pünktlichen) Bahn an und schaffte es nach einem strammen Fußmarsch einzutreffen, als unsere Uhren erst seit einer Minute liefen. Daran wird es sicherlich nicht gelegen haben, dass wir im folgenden, gerade anfangs, spannenden Kampf unter schweren Druck gerieten und man im Nachhinein konstatieren muss, dass unser Sieg am seidenen Faden hing. Auf der Seite unseres Gegners wird es in Titel und Wort auch gut beschrieben: eine Sensation lag in der Luft, denn für die Hamelner wäre mehr drin gewesen (https://www.hamelnerschachverein.de/eine-sensation-lag-in-der-luft-lister-turm-gewinnt-knapp-in-hameln/). Das dies aber auch nur eine Seite der Medaille ist, soll allerdings ebenso aufgezeigt werden.
Doch bevor wir (endlich) zu den Partien kommen können, muss eine weitere Personalie besprochen werden: Nikolas Nüsken spielte nach über 5 Jahren und 7 Monaten wieder eine Partie für uns! Entschwunden war er uns, da er in London promovierte, doch als Doktor ist er wieder zurück in Deutschland und konnte sein Comeback geben. Von den Spielern, die damals gespielt haben, war dieses Mal nur ich dabei, wie sich die Zeiten doch ändern...
In Hameln heißt es ran an die Partien ohne Computerüberprüfung, was keineswegs heißen soll, dass nicht andere Spieler schon Hilfe vom Blechmonster in Anspruch genommen haben, hier wird der Eindruck vom Spieltag nochmal gegengeprüft. Also ran an die Partien nach Computerüberprüfung!
Brett 1 Dennes Abel:
Chronologisch als erste Partie beendet, bekamen wir hier ein Remis. Auf den ersten Blick mit Weiß und Elovorteil nicht unbedingt eine freudiges Ereignis, doch auf den zweiten Blick offenbarte sich, dass Dennes zwar anfangs noch wusste, wie er gegen den eher ungewöhnlichen schwarzen Aufbau agieren wollte, seine aus vorherigen Turnieren stammende Vorbereitung dann jedoch nicht mehr erinnerte. In der Folge änderte sich der Trend und bevor der bereits leichte schwarze Vorteil noch zunehmen konnte, sicherte Dennes den halben Punkt.
Brett 8 Christian Polster:
Nach längerer Variante, die teils bereits in der Vorsaison auf dem Brett stand (wenn auch nicht mit Christian auf der schwarzen Seite), diesmal aber mit Verbesserung, wurde bei Christian nur die Zeit knapp. Positionell war sein Raumvorteil förderlich, für die folgenden taktischen Geplänkel noch mehr.
Nachdem Christian seinen g-Bauern mutig nach vorne geschoben hatte, waren beide Könige offen, Matt war aber am Ende der Hamelner. Stark herausgespielter erster Sieg!
Brett 4 Felix Hampel:
Ich meine jedenfalls als Dritter fertig geworden zu sein, da hier aber viel auf einmal geschah, will ich meine Hand dafür nicht ins Feuer legen. Ich würde meine Partie beschreiben mit einem Drittel Züge Theorie, einem Drittel Züge Fehler und einem Drittel Züge ganz gut (was - man möchte schon fast leider sagen - nicht ganz stimmt, so schlimm war es dann doch nicht). In einer angenehmen (und ausgeglichenen) Ausgangsstellung nach der Eröffnung entschied ich mich gegen einen Läufertausch, wonach ein Kampf an entgegengesetzten Flügeln entbrannte. Bedrohlich rückten h-Bauer und weiße Figuren in Richtung meines Königs vor, dafür konnte ich nach anfänglich wenig druckvollem Spiel am Damenflügel Vorteile erlangen. In sich anbahnender Zeitnot ging es dann hoch her, die Bewertung schwankte zwischen Remis, Weiß gewinnt und Schwarz gewinnt.
Am Ende konnte ich den Opferangriff abwehren, aber wie es mein Gegner schon schrieb: da war mehr drin.
Brett 6 Tobias Vöge:
Tobias bekam schnell eine recht zusammengedrückte Stellung, in der unglückliche Turm- und Damemanöver die Position von etwas unangenehm zu sehr schlecht verwandelten. Sah es bei mir schon bedrohlich aus, war die Menge an Figuren, die sich auf die knapp verteidigte schwarze Königsstellung richteten furchteinflössend. Tobias suchte sein Heil in Gegenspiel und tatsächlich, der weiße Angriff kam ins Stocken und dann ging es anders herum, wo am Ende der Hamelner in völlig hoffnungsloser Stellung die Zeit überschritt. Doch man ahnte schon: da musste doch was gehen und man kann sich den Ärger des Weißspielers vorstellen, als er herausfand, dass der Sieg so nahe war...
Brett 5 Attila Aba Virag:
Attila bekam schnell eine seiner typischen Stellung ohne Läuferpaar, dafür mit Raumvorteil. Den nutze er mit einem vorrübergehenden Springeropfer weidlich aus und wurde mit einer strukturell klar überlegenen Stellung belohnt.
Nach weiteren Verbesserungen konnte er dann auch materiell zugreifen, wonach die Verwertung sicher erledigt wurde. Ein guter Sieg und damit stand auch bereits fest, dass wir den Mannschaftskampf gewonnen hatten. Sehr wichtig, denn anderswo sah es nach der Zeitkontrolle weniger gut aus.
Brett 2 Nikolas Nüsken:
Die lange Abstinenz ließe sich auf die Schnelle nicht feststellen, nach ungewöhnlichem Eröffnungsverlauf hatte Nikolas bereits bewiesen, dass er das Spielen keineswegs verlernt hatte. Raumvorteil und Druck entlang der halboffenen f-Linie versprachen rosige Aussichten, doch dann kam die Zeitnot...
Taktische Schläge verhießen bereits siegbringenden Vorteil, doch mit Minuten auf der Uhr ist das alles so gar nicht klar und in den letzten Zügen vor dem 40. tauschte Nikolas dann den Vorteil gegen Nachteil aus.
Nikolas schwante schon, dass er sich einer schwierigen Verteidigung gegenüber sehen würde (Stockfish glaubt schon kaum mehr an die schwarzen Chancen), doch statt den kritischen Zug zu spielen, bot der Hamelner den Übergang in ein Damenendspiel und Remis an. Den halben Punkt kann jeder von den beiden Spielern bereuen, manchmal soll es aber einfach nicht sein mit der entschiedenen Partie.
Brett 3 Frank Buchenau:
Frank machte früh keinen Hehl aus seiner Absicht trotz der Anti-Sizilianer Variante mit einem Königsangriff den Sieg einzufahren. Doch was die beiden Partien zuvor so gut geklappt hatte, entwickelte sich dieses Mal zu nicht mehr als einem Strohfeuer, an dessen Ende einfach ein Bauer fehlte. Die Verteidigung scheiterte schon in der Zeitnot vor Zug 40 und auch wenn Frank es im Damenendspiel danach noch eine Weile versuchte, war Widerstand gegen die sehenswerte und starke Technik des Hamelners zwecklos.
Brett 7 Martin Hörstmann:
Im Gegensatz zu Dennes an Brett 1 bekam der Hamlener in leicht schlechterer Stellung kein Remis, worüber er sich inzwischen durchaus freuen mag. Denn im Wunsche die eigene Stellung zu verbessern, wagte sich Martin zu weit vor und die Quittung tat weh: statt des einstmaligen positionellen Übergewichts stand auf einmal ein Minusbauer auf der Habenseite. Noch länger als Frank stemmte sich Martin gegen die Niederlage, doch trotz eines Königsmarsches blieb das Gegenspiel aus und am Ende musste sich Martin der Übermacht an Bauern beugen.
Also am Ende rechnet sich das zu einem 5:3 Erfolg zusammen, der an mehreren seidenen Fäden hing. Zwar kann man auch sagen, dass wir an einem guten Tag auch gerne mit 6:2 hätten gewinnen können, an einem schlechten wäre da aber im schlimmsten Falle sogar eine Niederlage drin. Es bleibt zu hoffen, dass dies nichts weiter als ein Warnschuss war und wir wieder zu unserer größeren Souveränität zurück finden!
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