Da Felix und Andreas ja bereits das allermeiste bezüglich der Ausrichtung und des allgemeinen Turnierverlaufs geschrieben haben, hier nur ein kurzer Nachtrag mit dem Turnier aus meiner Sicht, wenn auch etwas spät.
Runde 1
Wie gewohnt planlos und unkoordiniert begann die Eröffnung gegen Wilfried Härig aus Tostedt, gegen den ich in der Vergangenheit bereits ein paar mal gespielt hatte und aus meist umkämpften Langzeitbegegnungen zwei Siege und ein Remis erbeutet hatte. Die Partie entwickelte sich nach einem unangebrachten Königsangriff kompliziert und ich opferte im Gewinnsinne meine Dame für zwei Türme. Leider war meine Königsstellung doch kritischer als gedacht und Wilfried sicherte seinen eigenen König. Die beiderseitige Zeitnot half mir, Wilfried versuchte, die Stellung zu vereinfachen und die beiden Türme erzeugten einen durchschlagenden Angriff.
Etwa hier erfolgte ein Remisangebot. Welchen Plan kann Weiß verfolgen, um die Partie zu gewinnen?
Runde 2
Mit der Erwartung, das Eröffnungsduell in absolut keinem Fall gewinnen zu können ging es in der Folgerunde gegen Moritz Gentemann. Da u. a. Moritz und ich häufig miteinander trainiert hatten, kannten wir unsere Systeme verhältnismäßig gut und ich entschloss mich dazu, einen soliden, aber von mir noch nie mit Schwarz gespielten Damengambitaufbau zu spielen. Ich gruppierte einen Springer in noch nie dagewesener Weise um, was Moritz immerhin aus der Theorie und mir den Ausgleich brachte. Nach einem ,,interessanten" Turmschwenk meinerseits stand ich schlecht, aber Moritz hatte in Zeitnot glücklicherweise in einer Variante einen kleinen Rechenfehler, sodass ich eine Qualität gewinnen durfte. Mein Turm konnte nach einem Bauernopfer wieder an die frische Luft und ich gewann mit Mehrqualle.
Schon fast als Retroaufgabe stellt sich hier die Frage wie der h5 in diese Lage kam. Wie kommt er wieder heraus?
Runde 3
Youngstar Jan Pubantz war ebenfalls ein Bekannter, gegen den ich zwar einen positiven Score aufzeigen konnte, bei dem ich mich aber auch keineswegs auf eine Theorieschlacht in meinen Standartsystemen einlassen wollte. Dies brachte ich durch die Züge 1.d4 d5 2.Sc3 zum Ausdruck, wonach Jan erst einmal ein wenig Zeit für die nächsten Züge verbrauchte. Er erreichte schnell den Ausgleich und wir fanden uns über Umwege in einem Turmendspiel mit Karlsbader Struktur wieder, in der beiderseits keine Gewinnpläne mehr funktionieren sollten, weshalb ich Remis bot. Jan lehnte mutig ab und versuchte noch einen krumm aussehenden Gewinnplan. Dieser entpuppte sich als zu ambitioniert und ich konnte das bessere Turmendspiel verwerten.
WaZ, bester Zug.
Runde 4
Vor den Nachmittagsrunden war ohnehin nie groß Zeit für Vorbereitung, gegen David Riemay kam erschwerend hinzu, dass dieser seinen Nachnamen geändert hatte, was ich nicht wusste und so überhaupt nicht in der Datenbank zu finden war. David spielte bislang schon ein sehr starkes Turnier, was bis zum Ende anhalten und zum Vizetitel führen sollte. Ohne Vorbereitung kamen wir in eine Art Stonewall im Anzug, den ich mit einem Stonewall im Nachzug konterte. Es gelang mir, nachträglich Druck auszuüben und es stellte sich die Frage, wie die Stellung zu gewinnen war. Ich entschied mich für eine taktische Lösung, in der ich leider die Chancen meines Gegners unterschätzte und letztendlich in ein Remis einwilligte.
Wie konterte David Riemay hier den Doppelangriff und erreichte Remis?
Runde 5
Dennes, der in der vierten Runde ebenfalls Remis gespielt hatte, David und ich führten zu beginn der Runde die Tabelle an, sodass sich erahnen ließ, dass wir alle früher oder später gegeneinander spielen sollten. In dieser Runde gegen den besten Spieler im Turnier hatte ich wohl das meiste Glück, wie sich in der kommentierten Partie zeigt:
Runde 6
Mit Kai Renner kam nach der kräftezehrenden Paarung gegen Dennes eigentlich ein verhältnismäßig angenehmes Los auf mich zu. In der Vergangenheit hatte ich immer gut gegen den Hamelner gespielt und bis auf einen Ausrutscher im Blitzen immer gepunktet, wenn ich mich richtig erinnere. In der Partie spielte ich schwach und langsam, was Kai durch solides Spiel schnell in eine angenehme Lage brachte. Wir beide konnten nicht das Höchstmaß unserer Konzentration aufbringen, was dazu führte, dass auch er patzte und einen taktischen Gewinn zuließ.
Kai versuchte, durch Fesslung des E-Bauern weiter Druck auf mein Zentrum auszuüben, übersah dabei aber eine kleine taktische Möglichkeit.
Runde 7
Gegen Sebastian Müer gab es den umgekehrten Fall: In vorausgegangenen Partien war ich meist in der Eröffnung überspielt worden und bis auf wenige Ausrutscher (und Blitzpartien auf Lichess) konnte ich nie etwas gegen den Theoriehai holen. Die Partie ist hier ebenfalls kommentiert und hätte nicht besser laufen können. Dennes hatte am zweiten Brett mit Felix Hampel einen unglücklichen Gegner gefunden und spielte nach fehlerhafter (was aber nicht trivial zu belegen war) Eröffnung schnell Remis.
Eine Auflösung der gestellten Fragen gibt es in diesem Artikel nicht direkt, wer sich dafür interessiert, darf gerne in den Partien nachschauen, in denen die Auflösungen jeweils folgten: http://live.chessbase.com/games/Niedersachsen-ch-2020?isCordova=False.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Meisterschaft mir wie jedes Jahr unglaublich viel Freude bereitete und ich froh bin, nach einigen Spielstärkeeinbrüchen (nicht nur Rating) in den letzten Jahren wieder zu neuer Stärke gefunden zu haben, die hoffentlich nicht nur eine Glückssträhne ist. Und für den Fall, dass noch jemand fragt: Die Qualifikation für die Deutsche Einzelmeisterschaft ist immer um ein Jahr versetzt, das heißt ich darf 2021 an der DEM teilnehmen (bin aber auch durch letztes Jahr für diese DEM qualifiziert).
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