Unser Autor David Höffer (mit kurzen Einschüben von mir) berichtet vom Ligahighlight:
Der unumstrittene Saison-Höhepunkt stand Ende Februar in Viernheim auf dem Programm: Bei der zentralen Bundesliga-Runde in Viernheim (mit beeindruckenden 6 Partnerstädten - nur eine weniger als Hannover - passend international ausgerichtet) über drei Tage, durch die Teilnahme des Publikumsmagneten Nakamura sogar in den Mainstream-Medien ein Thema, war es kein Problem, Spielwillige zu finden, so dass wir mit 10 Spielern plus Präsident in Viernheim antraten. Im Vorfeld war es eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, eine Aussetzreihenfolge zu finden, die den äußeren Gegebenheiten (Stefan und ich konnten am Freitag nicht spielen) und der Farbverteilung gerecht werden konnte. Nachdem sich die flugs erfundene Torben’sche Regel als zu einfach für die mannigfaltigen Wünsche erwies und ChatGPT auf ganzer Linie scheiterte, fanden wir letztlich aber doch eine Lösung, auch wenn Jan in den sauren Apfel beißen und zweimal Schwarz nehmen musste, während mir eine weitere Erprobung meines Schwarz-Repertoires unter Wettkampfbedingungen verwehrt blieb.
Die vor Schach flirrende Atmosphäre vor Ort, die vielen Zuschauer und die unglaublich vielen Spitzenspieler, denen man an allen Ecken begegnet, waren für uns alle eine besondere Erfahrung, doch natürlich wollten wir auch sportlich mitmischen: Dresden, Kiel und der HSK würden im Abstiegskampf zwar starke Besetzungen auffahren, aber vielleicht könnte sich ja Nervosität bei den Gegnern breitmachen oder zumindest das ein oder andere positive Einzelresultat erzielt werden. Da es letztlich in keinem unserer Kämpfe wirkliche Spannung um Mannschaftspunkte gab, wird dieser Bericht schachlich nach den Wochenenden der einzelnen Spieler sortiert und die ein oder andere Partie nicht näher analysiert, 24 Partien will wohl wirklich niemand detailliert anschauen (und wer möchte, kann die Partien ja auch alle online sehen). Angesichts der vielen Bretter, die es zu beobachten gab, konnte man schon vor Ort leicht den Überblick verlieren, wovon auch einer der Schiedsrichter nicht verschont blieb: In der Annahme, einen Viernheimer Organisationshelfer vor sich zu haben, bat er Weltklasse-Großmeister Shakhriyar Mamedyarov (hier auch tatsächlich nur an Brett VIER, wo er gegen Baden-Baden auf MVL (!) traf) darum, doch eben einen Mülleimer zu besorgen. Wir vermuten, dass Mamedyarov die auf Deutsch geäußerte Bitte nicht verstand…
Überragend war aus meiner Sicht an diesem Wochenende die soziale Komponente innerhalb unserer Mannschaft: Beim ausgiebigen Frühstück am Samstag, den Wegen zum Spielort und zurück und einem Abendessen am Samstag hatten wir viel Zeit, über schachliche und nicht-schachliche Dinge zu sprechen. Für die schachliche Super-Leistung dieses Wochenendes aus Hannoveraner Sicht zeichnete hingegen unsere Zweite verantwortlich, die sicher das Match gegen die SF Berlin noch kommentieren wird. Unsere Leistungen bewegten sich eher im Bereich des Erwartbaren mit einigen verpassten Chancen auf etwas mehr zählbare Erfolge.
Den Italiener, welchen Teile unserer Mannschaft trotz später Stunde noch am Freitag davon überzeugen konnten, uns Pizza zu machen, konnten wir damit aber durchaus noch beeindrucken. Besonders unwahrscheinlich: er kam aus Sizilien und sogar aus der Nähe des Ortes, wo zwei aus unserem Team bereits sizilianische Liga gespielt hatten.
Eine andere Region sprach Torben mit seinem diesmaligen Bonmot an. Das obige Bild verknüpfte er mit der Frage "Wie lief das Wochenende?" und antwortete etwas pessimistisch, aber auch nicht völlig falsch mit "Ich fühlte mich wie eine Piñata auf einem Kindergeburtstag". Nicht nur du, Torben... In der Bundesliga will es natürlich jeder von uns wissen und der übliche Ablauf besteht daraus, dass auf uns eingeprügelt wird und Punkte für die Gegner herauskommen. Aber hier ist dabei sein alles und der Weg das Ziel, deswegen sollte sich die Stimmung auch nicht ruinieren lassen. Zudem gibt es immer wieder die aufmunternden Einzelergebnisse.
Genug der Vorrede, lassen wir diesmal Diagramme herauspurzeln!
In erneuter Abwesenheit von Ilja verwaltete Jakob in allen drei Runden unser Spitzenbrett und tat dies äußerst stark: Ein Weißremis gegen Nisipeanu, ein Schwarzremis gegen Cheparinov und nur in der letzten Runde eine Niederlage gegen den noch höher anzusiedelnden Nihal Sarin – beeindruckend! Vor allem, wenn man bei näherer Betrachtung feststellt, dass da ausschließlich mehr drin gewesen wäre.
Anthony freute sich dank Schweizer Wohnsitz über den südlichen Austragungsort und präsentierte sich ähnlich souverän wie Jakob: Ein Schwarzremis gegen 2650er Mateusz Bartel mit der sogar etwas angenehmeren Stellung über weite Strecken und ein Weißremis gegen Jonas Bjerre, der am Vortag den Kielern sehenswert einen Punkt gegen den HSK gerettet hatte. Dass Anthony am Sonntag aussetzte, war wie gesagt im Voraus geplant, doch es wirkte damit ein wenig so, als ob wir immer unseren erfolgreichsten Spieler auf die Bank setzen würden, denn…
…Dennes setzte am Samstag aus, nachdem er am Freitag gegen den früheren Anand-Sekundanten Grzegorz Gajewski den einzigen Sieg für uns an diesem Wochenende erzielt hatte. Von bisher nur 5 Partiegewinnen in dieser Saison hat Dennes damit 2 geholt, was ihm an diesem Abend mit 4/7 sehr gute Chancen auf eine GM-Norm gab. Leider setzte es am Sonntag eine Niederlage gegen den vom gerade beendeten Mitropa-Cup für das Match gegen uns (oder vielleicht eher Dresden…) noch angereisten Nationalspieler Rasmus Svane. Damit steht Dennes bei 4/8 gegen einen Eloschnitt von 2583, was zur Folge hat, dass für eine Norm aus 9 Partien ein Sieg beim nächsten Einsatz her müsste – man kann die Norm aber ja auch über mehr als 9 Partien holen.
Der Sieger hat seine Gewinnpartie selbst kommentiert:
Für Stefan hängen die Trauben nach dem starken Schwarzremis gegen Efimenko zum Saisonauftakt hoch, muss er doch immer wieder an einem der vorderen Bretter antreten. Diesmal erwischte es ihn gegen die 2600er Daniil Yuffa und Luke Leon Mendonca, sein Eloschnitt ist sogar höher als der von Dennes, nämlich 2600.
Markus war einer von vier Spielern, die dreimal zum Einsatz kamen. Freitag und Sonntag, jeweils mit Schwarz, spielte er mutig zweischneidige Partien gegen Roven Vogel und Robert Kempinski, hatte aber nie Vorteil und am Ende behielt wie so oft der stärkere Spieler länger den Überblick in komplizierten Stellungen. Am Samstag aber glückte Markus sein erstes Remis der Saison (einen Sieg hat er ja schon) in einer unaufgeregten Partie gegen Pawel Teclaf.
Auch Torben trat dreimal an und musste leider drei Niederlagen gegen Maximilian Neef, Szymon Gumularz und Gabor Papp quittieren. Vermutlich spielte er einfach zu weit hinten, denn an den bisherigen Wochenenden holte er an Brett 3 und 4 jeweils 0,5/2, diesmal zog Brett 5 seinen Eloschnitt auf immer noch beeindruckende 2577 herunter. Zumindest dürfte der stets gut vorbereitete Torben angesichts der Breite von Gumularz‘ Eröffnungsrepertoire nach diesem Wochenende noch einmal einen universellen Überblick über die Schacheröffnungen erhalten haben.
Jan musste wie gesagt zweimal mit Schwarz gegenhalten, was ihm gegen den Dresdner Jens-Uwe Maiwald schlechter, gegen den Hamburger Julian Kramer besser gelang. Die Partie der Sonntagsrunde brachte Jans Mitfahrer Richtung Hannover nicht nur ob der nötigen Verteidigungshärte ins Schwitzen, sondern auch, weil es zwischendurch so aussah, als könne das enstandene Endspiel die Rückfahrt sehr lange verzögern. Im ganzen Turniersaal liefen zu diesem Zeitpunkt nur noch vier Partien, zwei davon von uns und eine von Nakamura. Zur Belohnung durfte Jan im Anschluss ein paar Kindern noch Autogramme schreiben!
Ich hatte die Kehrseite der Farbverteilung erwischt und zweimal Weiß. Am Samstag nutzte ich das so gar nicht, hatte zwar am Ende noch mal eine Chance auf ein remisliches Endspiel, das ich allerdings falsch einschätzte. Am Sonntag hingegen war ich in einer scharfen Partie nah an Zählbarem, an mehreren Stellen wäre sogar das Einbiegen auf die Siegerstraße möglich gewesen. Doch eine recht simple Taktik beendete meine Hoffnungen, so dass ich mit zwei Nullen abreisen musste.
Ein Ergebnis, das auch Felix erzielte, der am Sonntag aussetzte und an den anderen beiden Tagen kurzzügig, aber nach intensivem Verlauf verlor, Uwe Boensch am Freitag immerhin noch ein hübsches Matt gestattete.
Es zeigte sich nicht nur hier, dass die Chancen mitzuhalten vorhanden sind. Diese aber auch zu nutzen, ist eine ganz andere Sache...
Am achten Brett war MF Tobi dreimal im Einsatz, da er nach 1,5/4 herausfinden wollte, ob er intakte Normenchancen aus diesem Wochenende herausbringen könnte. Nach einer Niederlage gegen Raj Tischbierek gelangen ihm am Samstag und Sonntag zwei eher ereignisarme Remis gegen Jakob Pajeken und Thies Heinemann, was für ernsthafte Normenchancen aber zu wenig sein dürfte, auch wenn Tobi sein Punktekonto auf starke 2,5/7 schraubte.
Es steht am Ende ein Sieg aus 24 Partien, aber einer ist besser als keiner! Die Atmosphäre war großartig, selbst wenn der ein oder andere zwischendrin mal etwas weniger glücklich angesichts des eigenen Spieles war.
Nicht lange, dann können wir uns gegen den zu 99.99% feststehenden neuen Meister SC Viernheim (5:3 gegen den Serienmeister Baden-Baden am Samstag) messen, wenn es im Dresdner Schloss erneut an die Bretter geht!
Neuen Kommentar hinzufügen