Nach sieben Monaten Ligapause war es endlich soweit. Die Zweitligasaison startete und wie im Vorjahr hatten wir das Match gegen unseren Reisepartner bereits am ersten Wochenende. Es begann also mit einer Fahrt nach Magdeburg.
Einen Vorteil hatten wir schon: im Vergleich zum Vorjahr haben wir diese Saison aufgrund der Förderung der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung und der SBR net Consulting AG finanzielle Absicherung.
Die Hinreise mit zwei Autos klappte trotz kleinerer Schwierigkeiten (verspätete Bahn, unerwartete Baustellen und Vorbeifahren am Ziel) recht gut und wir waren pünktlich genug im Spielsaal.
Die Gener hatten recht ordentlich aufgestellt und waren an fünf Brettern mit mindestens 50 Elo im Vorteil, im Schnitt sogar fast 70 Elo stärker. Aber das ist zum Glück nicht gleichbedeutend mit der Leistung am Spieltag und wir waren auf jeden Fall motiviert.
100% Abstiegswahrscheinlichkeit (und das liegt nicht nur daran, dass uns die erste Mannschaft bei dem anzunehmendem Abstieg aus der zweiten Liga verdrängen würde) laut Ligaorakel kann auch befreiend wirken und zu einer Jetzt-erst-recht Mentalität führen.
Konnte es also losgehen? Nein! Zuerst wurden die verschärften Anti-Cheating Maßnahmen angewandt. Heißt: der Metalldetektor kam zur Anwendung und analoge Armbanduhren wurden ebenfalls aus dem Spielsaal verbannt. Einen weiblichen Schiedsrichter gab es nicht, was bei immerhin drei Frauen (zwei auf Seiten der Magdeburger und eine bei uns) ein Problem hätte sein können: der Schiedsrichter kündigte an, bei z.B. häufigem Toilettenbesuch eine Kontrolle durchzuführen - die aber nur bei gleichem Geschlecht erlaubt ist und, wie er zugab, daher nicht für alle zur Anwendung kommen könnte. Ich bleibe aber optimistisch und glaube daran, dass wir hier keine Cheater unter uns haben.
Nachdem diese Angelegenheit erledigt war, konnte es losgehen. Und wie es losging!
Es war bestimmt noch keine halbe Stunde gespielt, da hatte Johannes bereits im höheren Sinne das 1-0 in der Hand. Er ließ sich nicht lange bitten und sackte mittels 11.Lxc6! einen Bauern ein, dem sich bald noch ein zweiter hinzugesellte. Interessanterweise gab es bereits 4(!) Vorgänger (in allen verlor Schwarz nach dem Bauernverlust), darunter auch eine Partie zwischen Großmeistern.
Zwar gab sich der Magdeburger noch nicht geschlagen und kämpfte weiter, gegen die Technik unseres Spitzenbrettes war aber nichts mehr zu erfinden.
Das ging gut los und dann sahen meine Augen am anderen Nebenbrett folgendes Ereignis:
O-Ton Tobias:
Solche Fehler müssen mittlerweile partieentscheidend sein – jetzt einen kühlen Kopf bewahren und das Geschenk sicher mitnehmen.
Da muss man sich keine Gedanken machen, denn Tobias kannte natürlich nicht nur das Motiv, sondern seit ein paar Tagen auch den Namen: Rubinstein-Falle. Er zog 12.Sxd5 und an einem weiteren Brett waren wir einen Bauern vor. Auf 12...cxd5?? wäre die schwarzen Dame nach 13.Lc7 verloren gegangen.
Tobias ging die Verwertung sicher an und auch wenn Stockfish immer und überall ein Haar in der Suppe finden mag, kam der gewinnbringende Vorteil nie abhanden.
Das war doch eigentlich ein hervorragender Start und könnte Sicherheit geben, wenn man von zwei Brettern schon den Sieg erwarten kann. Doch niemand im gesamten Wettkampf war besonders friedlich eingestellt und daher ging es an allen Brettern hoch her. Eine Vorhersage war kaum möglich, gefühlt wechselte bei jedem neuen Blick der Favorit sowohl an den einzelnen Brettern, als auch im gesamten Mannschaftskampf.
Die Zeitnotphase brachte dann viele Entscheidungen und leider primär keine für uns positiven.
Bei Moritz kam es zu einer schwierigen Entscheidung - wobei objektiv keine Antwort richtiger war. Er entschied sich dafür, zu tauschen und die weiße Bauernstellung zu ruinieren. Im Gegenzug droht Weiß allerdings dem schwarzen König mit seiner Bauern- und Figurenmaße an den Kragen zu gehen. In der Partie erwies sich das Angriffspotential leider als praktisch relevanter, nachdem Moritz einen Zug übersehen hatte.
Viel zum Nachdenken hatte auch Ritta, die sich einem interessanten Qualitätsopfer gegenüber sah:
Schade, da wäre eine Überraschung möglich gewesen!
Unsere Zwillinge Rudi und Martin starteten ziemlich ähnlich, nämlich mit besseren Theoriekenntnissen. Das führte erstmal zu einer besseren Stellung und etwas Zeitvorteil. Aber selbst wenn die Engine Vorteil reklamiert, in der Praxis ist alles immer noch ganz anders. Man sollte nie unterschätzen, wie schwierig komplizierte Stellungen für Menschen sein können. So war es auch hier.
Martin verpasste es, seinen dynamischen Vorteil festzuhalten und dadurch kippte die Stellung graduell. Es verschwand Zeit und Stellung, selbst wenn die Maschine zwischenzeitlich noch Chancen auf Ausgleich reklamiert.
Bei Rudi hingegen war es wie schon so vielen Spielern gegen Königsindisch ergangen: zuerst steht man gut und auf einmal stellt man fest, wie unangenehm es ist gegen einen Königsangriff zu spielen.
Hier war Rudi schon alles abhanden gekommen, was seine Stellung auszeichnete, während die Schwarze das schwere Geschütz heranholte. Es musste etwas passieren und mit 26.g3!? (Rudi: da stand ich schon sehr schlecht; Stockfish reklamiert übrigens 0.00 nach 26.bxc6, aber der zählt in solchen Positionen nicht so viel aus menschlicher Sicht) änderte sich wenigstens der Trend. Objektiv sicherlich nicht zum Guten, aber jetzt gab es auch offene Linien zum schwarzen König.
Die Partie fand ein abruptes Ende, als die Magdeburgerin im Eifer des Angreifens ein Schach übersah. Läufer weg - Angriff weg. Auch so etwas passiert mit wenig Zeit und unübersichtlicher Stellung.
Die Zeitkontrolle war geschafft und ziemlich bald fanden die bislang erwähnten Partien ihr Ende: 3-3.
Es hing also am Autor (und als Fotograf ohne Foto) und unserem zweiten Doktor der Physik in unserem Verein:
Alexanders Eröffnung könnte man als solide bezeichnen, aber was daraus wurde definitiv nicht. Aber seht selbst mit Kommentaren vom Protagonisten (übersetzt von mir aus dem Englischen):
Parallel war es bei mir auch ordentlich chaotisch geworden:
Am Ende hat es nicht gereicht und wir mussten uns bei spannendem Verlauf leider mit 3-5 geschlagen geben. Wir haben uns aber auf jeden Fall teuer verkauft und für sehr interessante Partien gesorgt!
Den Kampfgeist können wir gut gebrauchen, wenn es Anfang Dezember erneut nach Magdeburg für den ersten Doppelspieltag geht.
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