Es gibt Momente, in denen entscheidet sich, ob etwas zu einem guten Ende führt. Oft sieht man bei Schachturnieren einen Spieler, der einen kritischen Abschnitt übersteht und danach befreit aufspielt. Er hat das Momentum auf seiner Seite und gewinnt. Am Sonntag im Freizeitheim Ricklingen lässt es sich wohl kaum an einem Moment festmachen, dafür gab es zuviele beim Leine Open 2019, welches die neu gebildete Spielgemeinschaft aus den Schachfreunden Hannover und dem SK Ricklingen nach einer Pause im Vorjahr wieder ausrichtete.
Dem Trend der Voranmeldung widersetzt sich das Schnellschachturnier auch weiterhin, daher wusste ich nur von einigen Mitspielern aus unserem Verein, dass sie vor Ort sein würden. Am Ende kamen 60 Schachspieler zusammen, erfreulicherweise nicht nur aus der Region, sondern teils sogar noch aus Bremen. Ein Zehntel der Teilnehmer stellten wir, in Reihenfolge der Setzliste waren dies Ilja, Dennes, Torben, der Autor Felix, Frank und Wulf. Gespielt wurde mit Inkrement, 10+5 lautete die Bedenkzeit.
Der erste Moment kam gleich zu Anfang. Startet ein Turnier im Schweizer System, so spielt typischerweise David gegen Goliath, Überraschungen lassen sich meist an einer Hand abzählen. Das Leine Open bildete hier keine Ausnahme und so kam es zum Vereinsduell zwischen David (Wulf) und Goliath (Ilja). Zuerst nahm alles den erwarteten Gang und als ich nach meinem frühzeitigen Partieende mal vorbeischaute, war Goliath einen Bauern vorne. Doch nach einem taktischen Trick von Wulf, wonach der Mehrbauer Geschichte war, änderte sich der Partieverlauf und auf einmal war plötzlich David einen Bauern vorne. Leider verpasste ich das genaue Ende der Partie doch Wulf gab sich in Gewinnstellung mit einer Zugwiederholung zufrieden. Noch einmal davon gekommen, doch Ilja krönte dieses Erlebnis in Runde 2 mit einer Fastniederlage, als er sich recht unerwartet in einem Endspiel einen Mattangriff einlud. Mit dem letzten Trick gewann er dann aber doch noch und dem anschließenden Siegeszug zum Turniersieg stand nichts mehr im Wege. Würde ich schreiben, aber stimmt so auch nicht ganz... Doch der Reihe nach. Für die kurioseste und aus meiner Sicht auch peinlichste Episode sorgte ich persönlich in Runde 2:
Hagemann - Hampel:
Nach voriger Gewinstellung musste hier bereits Se6! gefunden werden, um die Partie zu gewinnen, ich jedoch hatte bereits weit im Voraus den viel einfacheren Weg erspäht: Lf3#??!? Ich vermute, dass den meisten schnell der Fehler aufgefallen ist: nach dem einfachen Schlagen des schachgebenden Turmes auf g7 ist nicht Weiß sondern Schwarz Matt. Ich jedoch war so überzeugt von meinem Sieg, dass ich die Uhr anhielt und meinem Gegner die Hand reichte. Die Überzeugung reichte sogar aus, dass mein Gegner die Hand entgegen nahm. Man kann sich nur schwerlich vorstellen, was in mir vorging, als er dann darauf hinwies, dass es doch gar nicht Matt sei...
Am Ende einigten wir uns auf Remis, den Sieg wollte keiner von uns haben, für meinen Gegner reichte es (trotzdem?) zum zweiten Ratingpreis, wobei alle wenns und hätte natürlich Makulatur sind, der Verlauf wäre ja ein völlig anderer gewesen.
Man mag es kaum glauben, aber im Anschluss lieferte ich sogar vielleicht meine beste Partie im Turnier ab, die ich in folgender Stellung zum schnellen Erfolg krönte:
Hampel - Celik:
Hier ist es naheliegend nach einem schnellen K.O. zu schauen und tatsächlich, mit Lxg6 gibt es einen solchen, da hxg6 Dxg6+ bald die Dame kosten wird. Zum Dank bekam ich Schwarz gegen Ilja... Nach passablem Eröffnungsverlauf begann ich allerdings sowohl auf dem Brett, als auch auf der Uhr unter leichten Druck zu geraten. Hätte ich die Partie dann normal verloren, so wäre sie keine Erwähnung wert, doch für einen Zug hatte ich die Chance, Ilja sein Turnier zu ruinieren. Wir beide waren von Schachblindheit geschlagen, ich jedoch mehr, denn ich ergriff die Gelegenheit nicht und verlor folgerichtig.
Ilja hatte seine Momente gehabt und schlug turnierentscheidend den Elofavorit Epischin, wodurch er am Ende eine halben Punkt Vorsprung auf eben diesen aufwies. Dennes spielte ein recht ruhiges Turnier, gab jedoch zu viele Remisen ab, um vorne eingreifen zu können. Trotz Letztrundenniederlage erreichte er mit Platz 3 seinen Setzlistenplatz. Lustigerweise erreichten Frank und ich mit den Plätzen 5 und 7 wieder die ungeraden Ränge. Frank hatte einen schweren Start und notierte nach 5 Runde noch bei 50%, doch dann wachte er auf und gewann alle seine restlichen Partien, um sich noch auf den letzten Preisrang vorzuschieben. Unter seinen Opfern war nicht nur die Nummer 4 der Setzrangliste, sondern in der letzten Runde auch Torben, der damit am Ende noch aus den Top 10 fiel.
Meine Momente enthielten auch noch zwei Siege auf Zeit (eigentlich überraschend bedenkt man den dankbaren Zeitbonus durch den Aufschlag), jeweils in Partien, in denen ich vorher längere Zeit gut bzw. bereits auf Gewinn stand, wie zum Beispiel in dieser Partie:
Spiess - Hampel:
Nach einigem Manövrieren hatte ich das weiße Zentrum attackiert und war durch das fehlerhafte Vorschieben des e-Bauern belohnt worden. Mit dem kleinen taktischen Schlag Txe5 gewann ich nicht nur einmal einen Bauern auf e5, sondern in der Partie gleich zweimal, da nach fxe5 Lxc1 auch der zweite Bauer auf e5 nicht zu halten war.
Kurz vor der Verwertung schaffte ich es dann noch den Sieg in eine objektive Niederlage zu verwandeln. Ärgerlich, wenn man eine eigentlich gute Leistung dermaßen verschandelt. Daher bin ich mit meinem Ergebnis sehr zufrieden, manche Momente hätten es auch viel übler ausgehen lassen können. Wulf mit 50% erreichte eine Platzierung in der oberen Hälfte, kann sicherlich auch zufrieden sein, insbesondere mit seinem Moment gegen Ilja.
Die Abschlusstabelle findet sich hier: http://www.leine-open.de/LO2019-Tabelle.pdf
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