Am Pfingstwochenende hieß es für einige von uns einmal mehr aufzubrechen: im unterfränkischen Bad Königshofen fand die 9. Ausgabe des kleinen unterfränkischen Schachfestivals statt. Und was für ein Festival! Gleich sieben(!) unterschiedliche Turniere an vier Tagen finden statt, geballte Freude für den Schachliebhaber.
In der Besetzung von vor zwei Jahren (leider fand das Festival im vergangenen Jahr aus persönlichen Gründen des Veranstalters nicht statt) fuhren aus unserem Verein hin: Ilja Schneider (im Geiste bereits ein Vereinsmitglied, auch wenn er noch unter den Schachfreunden Berlin geführt wurde), Frank Buchenau, Tobias Vöge und ihr Autor.
Unsere Anfahrt erwies sich bereits als logistische Meisterleistung: Gepäck wurde dem armen Frank überlassen, den vormittags noch die Arbeit rief. Dadurch konnten wir zwar früher fahren, am Ende mussten wir dann aber doch noch auf unsere Koffer warten... Jedenfalls kamen wir gut durch, was auch nicht gerade selbstverständlich ist.
Aus verschiedenen Gründen konnten wir nicht in die Ferienwohnung, die wir beim letzten Besuch (gerne) bewohnten, stattdessen kamen wir in einem nahe des Spielortes und Marktplatzes liegendem Landhotel unter. Auch wenn wir nicht oft dort waren, habe ich niemanden über die Unterkunft klagen hören.
Spielort war - wie auch schon bei der letzten Auflage - die Frankentherme. Es mag dann auch nicht zu überraschend sein, dass dieser Umstand doch hin und wieder für ein unterschiedliches Teilnehmerfeld sorgte. Eingeheizt wurde aber nur auf dem Brett, schwitzen konnte man dort genug, wenngleich es im klimatisierten Spielsaal teils doch eher kühl wurde. In Zukunft wird geplant zum ursprünglichen Spielort zurückzukehren, da dieser aber seit geraumer Zeit eine Baustelle ist, muss damit wohl auch noch über die nächste Auflage hinaus gewartet werden.
Essen gibt es in diversen Restaurants um den Marktplatz herum, dieser war sowohl vom Hotel, als auch vom Spielort recht schnell zu erreichen. Spannend wurde es nur, wenn der Abstand zwischen Turnierende und dem Beginn des nächsten Turniers nicht so groß war. Letztlich heißt das Festival aber auch noch zu Recht "klein", ein knappes Erscheinen zog normalerweise keine Probleme nach sich, die Veranstalter sehen das Schachspiel im Mittelpunkt und warten gerne auf Vollständigkeit des Teilnehmerfeldes.
Wer die Ergebnisse online nachschauen möchte wird auf der Vereinsseite des Veranstalters fündig: http://schachclub1957.de/turniere/turnier-archiv/9-kleines-unterfraenkisches-schachfestival-2019/
Schließlich ging dann auch das Festival mit Schach los. Traditionell findet am ersten Abend das Tandemturnier statt. Zusammen mit Tobias war ich eine Hälfte des noch amtierenden Titelverteidigerteams. Wir hatten solche Probleme, einen Teamnamen zu finden (wir fanden keinen, weswegen "Plan B" als Name genommen werden musste), dass wir trotz Unterstützung von Google Maps zwischenzeitlich einen falschen Weg nahmen. Das Spielen selbst war definitiv lustig, auch wenn in einigen Teams der Frust hörbar wurde, wenn der Partner mal wieder nicht aufgepasst hatte. Man merkte es dem Turnier schon an, dass das ungewohnte Spielprinzip (zwei Spieler, die untereinander die geschlagenen Figuren austauschen und am eigenen Brett einsetzen dürfen) nicht zum Standardrepertoire gehört. Da ich zweimal mattgesetzt wurde, mussten wir noch bis fast zum Ende zittern, konnten dann aber ohne Stichkampf den Titel verteidigen. Ob das die Namensfindung für die nächste Auflage erleichtert?
Am nächsten Tag winkte gleich eine weiteres Teamturnier. Unser Hannoveranerteam trat mit großen Ambitionen an. Gleich in Runde 1 trafen wir auf die Damenauswahl des Gastgebers, die diese Saison die deutsche Meisterschaft der Frauen errungen hatte (angeführt von Olga Girya). Fast gelang uns ein 4-0, doch Frank verlor in Gewinnstellung leider auf Zeit. Trotzdem war damit der Grundstein gelegt, ungeachtet späterer Wackler behaupteten wir durchgehend den Spitzenplatz.
Des nachmittags schieden sich die Geister: die einen hatten noch nicht genug vom Schach und wollten dies auch noch mit der sportlichen Betätigung das Laufens verbinden, andere waren den Verlockungen der Therme erlegen. Meine Wenigkeit gehörte zu den Schachverrückten, die sich im Turniersimultan maßen. Bei uns im Verein gibt es eine kleinere Version, in Unterfranken gab es gleich 10 Konkurrenten, es wurden also an 55(!) Brettern gleichzeitig Partien gespielt. Und da wurde noch einer draufgesetzt: parallel lief noch eine Runde mit 9 Teilnehmern und 36 Brettern, womit die Materialmöglichkeiten der Königshofener maximal ausgelastet wurden. Das nenne ich aber Engagement, da dies sehr kurzfristig aufgrund der hohen Interessentenzahl geschah. Hut ab! Rechnen möchte ich nicht, wie viel Strecke man da laufen musste, meine Füße sagten mir auf jeden Fall eine Menge. 90 Minuten für eine Partie hatten wir Zeit: klingt viel, ist aber wenig, gerechnet wird mit etwa 5 Minuten Bedenkzeit und 85 Minuten Laufzeit... Erspäht hatte ich die richtige Taktik: schnell laufen und Zeitvorteil erlangen. Damit konnte ich eine verloren stehende Partie noch auf Zeit gewinnen und am Ende sogar im vereinsinternen Duell gegen Tobias meine schwache Anfangsphase wett machen.
Was man einerseits sehen kann (und andererseits übersehen kann) zeigt diese nette Taktitk, aus der meine verlorene Stellung resultierte:
Hier begab sich der Weißspieler mit 1.Sf5! auf die Siegerstraße, denn der Königsflügel fällt komplett an den Anziehenden.
Wie unglücklich Turniersimultan einen machen kann, erfuhr Tobias am eigenen Leibe. Während ich gemütlich an unserer Partie knobeln konnte, musste er noch eine Handvoll Bretter ablaufen. Zum Schluss musste er sich zwischen zwei Partien aufteilen, was ihm in meiner Partie eine Niederlage durch Zeitüberschreitung bescherte. Mein schlechtes Feeling deswegen wurde mehr als wettgemacht durch den damit einhergehenden Turniersieg!
Der Abend war dann der Feier im Hause des Veranstalters gewidmet, wo man sehr gut verköstigt wird und sich bestens über alles mögliche unterhalten kann. Im Gespräch mit Schachspielern, die man sonst nicht sieht erfährt man so einiges Interessantes! Sollte - was definitv zu befürworten ist! - die Teilnehmerzahl ansteigen, wird es hier natürlich eng...
Am dritten Tag stand das baskische Schach an. Zwei Partien gegen den gleichen Gegner gleichzeitig, auf jeden Fall eine Herausforderung. Nicht so für Ilja, der marschierte gnadenlos durch das Turnier und beendete es mit einem ganzen Punkt Vorsprung. Das Losglück meinte es nicht gut mit Tobias, so dass er sich letztenendlich nach Buchholz hinter mit auf dem vierten Platz einfand. Trotzdem waren wir Hannoveraner bislang ganz klar tonangebend, was sich auch nicht beim Höhepunkt des nachmittäglichen Blitzeinzelturniers nicht ändern sollte. Erneut war Ilja eine Klasse für sich mit einem Start-Ziel-Sieg. Diesmal schob sich Tobias nach einem Schweizer Gambit zum Start mit einer ganz starken Schlussphase an mir vorbei auf den dritten Platz. Dabei gelang es mir für eine Kuriosität zu sorgen, denn ich remisierte eine Partie obwohl meine Gegnerin zwei falsche Züge am Stück machte: ich realisierte schlicht nicht, dass sie eine berührte Figur nicht gezogen hatte. Zudem unterlief mir folgendes Missgeschick:
Ich hatte die weiße Idee nicht verstanden und verleibte mir mit 1...Dxc4?? den zweiten Bauern ein, worauf 2.Dxh7+!! für ein böses Erwachen sorgte. Stattdessen war mit 1...Lf8 oder auch 1...h5 der König zu schützen wonach Schwarz gute Gewinnchancen behält.
Der letzte Tag wandte sich dann Schachvarianten zu, die dem theoretischen Schach den Kampf mehr oder minder erfolgreich ansagen. Zuerst kam Chess960 mit einer Schnellschachbedenkzeit von 10 Minuten plus 5 Sekunden. Das dabei mögliche kreative Eröffnungsspiel gefällt mir sehr und auch wenn es dem "richtigen" Schach dank der fehlenden Symmetrie nicht das Wasser reichen kann (meiner Meinung nach) ist es auf jeden Fall eine erfrischende Abwechslung, die viel Spaß machen kann. Der Hattrick blieb Ilja wegen einer Letztrundenniederlage gegen Olga Girya verwehrt, er fiel sogar noch auf den vierten Platz zurück. Diesmal stand mir mal wieder die Buchholz im Weg, so landete ich trotz Punktgleichheit mit dem ersten Platz nur auf Rang 3, während Girya letztlich durchaus verdient den Sieg erreichte.
Ein Highlight des Turniers war diese Startstellung (insbesondere mit dem gespielten ersten weißen Zug):
Mit 1...f5! kann Schwarz hier bereits Vorteil reklamieren, denn auf 2.exf5 (wie in meiner Partie) kann Schwarz mit 2...Lxa2 bereits eine Qualität gewinnen.
Exemplarisch für die sehr interessanten Stellungsbilder kann diser kurze Partieausschnitt stehen:
Zum Abschluss des Turniers gab es eine neue Schachvariante, intiiert, um den Spielern eine reichhaltigere Auswahl an Eröffnungen vorzusetzen. Bei einer Partie werden die ersten drei weißen und die ersten beiden schwarzen Züge vorgegeben, so dass Schwarz den ersten Zug hat. Ausgewählt werden diese Züge aus Partien von Spielern mit Meisterstärke (jeweils über 2400) und gewichtet nach Häufigkeit. Ob es einem gefällt ist sehr subjektiv, nachdem ich von Frank recht vernichtend in einem Skandinavier geschlagen wurde (siehe Ende des Berichts), sah ich den Nachteil im System: wer die Stellung noch kennt hat einen Vorteil. Bei mir war dann die Luft raus und mein Losglück verschaffte mir auch noch zwei höhergesetzte SpielerInnen, so dass ich mit einem schlechten Turnier das Festival beendete. Mit Frank und Ilja hatten wir aber zwei Spieler auf dem Podium (wenn auch nicht den Sieger), was für uns Hannoveraner ein weiterer Erfolg bedeutete. Insgesamt hatten wir also bei jedem Turnier einen der Spitzenplätze inne.
Es ist sehr schlauchend aber mindestens genauso spaßig und die Jubiläumsauflage hat auf jeden Fall eine höhere Teilnehmerzahl verdient und ich kann das Festival jedem nur wärmstens empfehlen!
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