
Was dieses Bild mit der Überschrift oder dem restlichen Inhalt zu tun hat? Eine gute Frage und eine Antwort über die Tatsache hinaus, dass es während der Anfahrt zur Deutschen Blitzmannschaftsmeisterschaft 2023 in Dinslaken entstanden ist, könnte schwierig fallen.
Ein Schachturnier ist immer ein Abenteuer und in Abhängigkeit von Entfernung und Erreichbarkeit des Spielortes beginnt dies schon bevor die ersten Schachfiguren gesichtet werden. Für dieses Blitzturnier fanden sich vier Spieler, die in dieser Besetzung noch nie zusammen gespielt hatten. Drei davon waren schon beim letztjährigen zweiten Platz dabei gewesen (Ilja, Tobias und der Autor), mit dem vierten (David) saß ich im Zug, der uns ins Jahr 2003 zurück versetzte. Wie ich inzwischen feststellen muss, ersetzte David neben Dennes noch Christian und nicht, wie von mir behauptet Jakob. Ein erstes Missgeschick, dem noch so einige weitere folgen sollten. Doch nicht alles war schon schlecht gestartet: mein Zug kam zwar in Osnabrück erst um 18:50 an (mit einer Abfahrtszeit des Anschlusszuges um 18:49 Uhr), jedoch hatte nach nicht unerwarteten und dennoch unerfreulichen Funklöchern David mitgeteilt, dass der Zug noch steht. Ein Sprint von Gleis 12 bis Gleis 4 später gelang es mir, mich zu David hinzu zu gesellen. Ein erster Erfolg, waren die Alternativen doch keineswegs berauschend.
David war dann auch findig, als dieser Zug seine Verspätung ausbaute und damit den Anschluss nach Dinslaken gefährdete: wir stiegen einfach in Wanne-Eickel aus und nahmen den nächsten Zug, um an einem späteren Punkt umzusteigen. Problem gelöst und genau pünktlich erreichten wir unser Ziel. Was kann uns da noch aufhalten? Insbesondere, nach dem die Einstimmung online auf lichess erfolgreich verlief (ich erreichte mein Allzeithoch) und David die unerwünschte Mücke im Zimmer erwischt hatte. Es sei hier schon verraten: obwohl am Ende alles echt schön für uns gelaufen war, das bessere Ergebnis nach Punkten (und Performance) erzielten die beiden, die am Spieltag anreisten... Am Frühstück kann es eigentlich nicht gelegen haben, das war wirklich kaum zu toppen. Oder vielleicht war das schon wieder zu gut?
Nach langer Vorrede ist es dann auch Zeit für das Turnier, ausgerichtet in der dankenswerterweise klimatisierten Kathrin-Türks-Halle. Ein erster Blick auf die teilnehmenden Mannschaften verriet: die Besetzung war bedeutend stärker geworden, als sie es noch im Vorjahr war. Unter den 26 Mannschaften befanden sich auch einige Bundesligisten (neben uns, die erst welche werden), die zumindest einiges an Titelträgern mitgebracht hatten (prominent: Loek van Wely für Solingen). Aber Elo spielt schon gar nicht im Blitzen Schach (warum auch immer war überall nur die klassische Elo und nicht die Blitzelo aufgelistet) und wir waren heiß.
Erste Runde gegen Schönaich. Der erste Bundesligist, aber dort als Tabellenletzter, hatten sie auch hier weder ihre Großmeister, noch ihre deutschen Nachwuchstalente dabei. Wir mühten uns und kamen am Ende zu einem 3:1 Sieg. Einstand gelungen! Dann kam vom Schiedsrichter eine Ansage (sinngemäß): man möge doch bitte daran denken, dass a) Figuren nicht auf ihre Flugfähigkeiten geprüft werden müssen, b) Uhren nicht zu malträtieren sind und c) die Stühle auf dem Boden bleiben. Ich hätte ja gerne erlebt, was vorgefallen ist, damit es dazu kam. Jedenfalls schien die Androhung von Disqualifikation zu wirken.
Dritte Runde gegen Remagen-Sinzig. Wir kassieren unsere erste Niederlage, Ein 1,5-2,5, die erste von vier dieser knappen Niederlagen. Der Ärger ist groß, ich überschritt die Zeit, da eine plötzliche Androhung von Matt eine vorübergehende Panik ("es geht ja gar nichts mehr") auslöste. In Wirklichkeit hatte ich noch alles im Remissinne unter Kontrolle, selbst wenn ich mir meines Erachtens schon kurz zuvor das Leben unnötig schwer gemacht hatte (mindestens leichtes Remis, vermutlich mehr - wenn die Erinnerung mich nicht im Stich lassen würde...). Unsere Gegner fügten noch vier weitere dieser knappesten Sieg hinzu und wurden Sieger - so schlimm war es dann mit der Niederlage vielleicht doch nicht (obgleich das zu dem Zeitpunkt natürlich niemand wissen konnte).

In der vierten Runde gab es gegen die Bayern aus München die nächste knappe Niederlage, darüber freut man sich erst recht nicht. Man merkte: es sollte nicht unser Turnier sein mit dem Ausreißer nach oben. Immerhin gelang es uns gegen Hameln wieder zurück in die Spur zu finden (4-0), bevor der Motor gegen Nickelhütte Aue wieder ins Stottern kam: verkehrte Welt mit der Doppelnull hinten zum Remis, wo doch eigentlich David taktisch an Brett 2 platziert wurde, damit wir hinten abräumen (nach dieser Runde war David unser Topscorer, während Ilja sich nach missglücktem Start zurück auf 50% gekämpft hatte). Aber noch waren ja viele Runden zu spielen.

Weiter ging es, Fluss und eine Serie wollten aber nicht so recht aufkommen. Es wechselte sich ab von gut (4-0 gegen Hamburg, obgleich diese zugegeben nicht mit einer Bundesligamannschaft antraten), über in Ordnung (2-2 gegen Bremen, obgleich ich hier gegen deren Teamchef Spartak eine mehrmalige absolute Gewinnstellung noch verlor...) zu unschön (1,5-2,5 gegen Erfurt).
Damit es nicht so scheint, als würde ich nur verlieren und mit wenig Zeit patzen, mal ein erfolgreicher Schnappschuss:

Nach der elften Runde kündigte der Hauptschiedsrichter die Mittagspause an, wurde aber kurz darauf korrigiert: vor dem Turnier war die 13. Runde als letzte Runde vor der Mittagspause vorgesehen worden. Da half auch nicht, dass bei chess-results die eingetragene Zeit der Runde nicht zum gewünschten Zeitplan passte. Wir ließen uns nicht irritieren und fegten Heilbronn mit einem 4-0 von den Brettern. Anschließend die letzte Runde vor der Mittagspause - und anwesend waren nur 25 Mannschaften. Augsburg hatte vielleicht die Korrektur nicht mitbekommen? Jedenfalls wurden sie entweder schnell ausfindig gemacht oder sind von selbst zurück gekommen. Manchmal wünschte ich mir, dass ich einfach für alles die Informationen und das Hintergrundwissen hätte...
Die 13. Runde verlief ebenfalls erfolgreich (ich erreichte mit Hängen und Würgen ein Remis gegen meine unerwartete Nemesis Paul Meyer-Dunker, der neben Social Media auch gut gegen mich Schach spielen kann; zugegeben ist ein Sample Size von 2 Partien nicht sonderlich aussagekräftig). Mittagspause!
Zeit für ein weiteres Missgeschick. Die Verpflegung bei solchen Turnieren ist üblicherweise nicht so begeisternd, wenn man a) etwas Warmes will und b) Vegetarier ist. Die Currywurst war da keine Ausnahme und so beschlossen wir (zu drei Vierteln Vegetarier), nach draußen zu gehen (auch ein Erlebnis von klimatisiert in die pralle Sonne zu kommen) und dort etwas zu essen zu suchen. Ilja hatte es noch besser gewusst, aber mitgehangen, mitgefangen... Ziemlich nah dran war ein China-Imbiss. Das sollte doch schnell gehen, oder? Tja, für mich, der ich nur eine Vorspeise genommen hatte, ja. Für den Rest nicht. Die Minuten verrannen und das Ende der Mittagspause rückte näher. Menschen holten eingepacktes Essen ab, aber für uns? Nichts. So musste am Ende auf Essen zum Mitnehmen gewechselt werden. Alle waren pünktlich wieder am Brett - aber ohne wirklich gegessen zu haben, was dann in der Folge zwischen den Runden unternommen werden musste.
Für mich ging es trotz Fehlstart in die erste Partie nach der Pause gut los:

Auch die zweite Partie lief:

Das verunglückte Mittagsessen hatte jedoch für die Mannschaft Folgen und wir kassierten gleich zwei Niederlagen gegen direkte Konkurrenten am Stück. Ist es aussagekräftig, dass ich nach der Pause die nächsten vier Partien gewann? Nun, betrachtet man sich die Entstehung, dann nehme ich stark an, dass die Antwort "Nein" lautet.
In die Spur kamen wir kurzfristig durch einen Sieg gegen Schwerin, unter anderem dank folgender "Glanzleistung":
Das tat mir jetzt leid sowohl für mich, als auch insbesondere für meinen Gegner, zeigt aber auch auf, was im Blitzen alles möglich ist.
Runde 18. Der Gegner heißt SK Gernsheim. Sicherlich keine Laufkundschaft (gegen die Mannschaften 7-11 mit 2 Siegen und 3 Remisen!), aber wer nach oben will, muss natürlich solche Matches gewinnen. Wir waren nicht für höheres bestimmt und gaben ein 2-2 ab. Auch vorher war die Top 5 schon enteilt, aber danach war es schon recht offensichtlich, dass es damit unter keinen realistischen Umständen noch etwas werden würde. Um das auch wirklich deutlich zu machen, hängten wir noch ein Geschenk für die Heimmannschaft hinten dran: Ilja verlor absolut untypisch beim Stande von 2-1 auf Zeit (ein Dauerschach war ihm sicher).
Immerhin gelang uns die Revanche gegen die immer noch recht junge Truppe von Doppelbauer Turm Kiel (sowohl insgesamt, als auch in den Einzelpaarungen). Fairerweise muss man sagen, dass sie zwei ihrer Topscorer nicht mehr mit dabei hatten, aber so genau wollen wir ja auch gar nicht hinschauen. 3-1! Revanche!

Dem 1. FC St. Pauli rangen wir ein 2-2 ab. Okay, eher gesagt schenkte ich es her. Der Rechner zeigte schon so etwas wie +7 an, aber ich gab lieber einen Springer für nichts (was auch immer halluzinatorisch in mir vorging, es funktionierte auf gleich zwei naheliegende Arten nicht). Bezeichnenderweise ist es danach immer noch Remis gewesen, aber ich war nicht in der Lage mich davon zu erholen.
Das nahm ich in die nächste Partie mit und produzierte zusammen mit meinem Gegner die tragikomischste Partie des Turniers. Zuerst investierte ich eine Reihe an Zügen, um meinem Springer (als Schwarzer auf d7!) jegliche Zugmöglichkeit zu nehmen. Anschließend erlaubte ich es meinem Gegner, den Springer mit einem Bauern anzugreifen. Es kam in mir das Gefühl auf, die Anweisungen des Schiedsrichters aus seiner Ansprache nach Runde 1 zu ignorieren. Stattdessen spielte ich weiter (ist ja immerhin auch ein Teamwettbewerb). Erstaunlicherweise kam es dann tatsächlich noch zu einer technisch nicht mehr völlig trivialen Stellung:
Nach diesem niederschmetternden Erlebnis (also für mich, der Rest der Mannschaft gewann) wartete zur Erholung Solingen mit 3 Großmeistern und einem Internationalen Meister. Das Ergebnis: 0-4. Das mögliche Ergebnis: 2-2 (noch ohne Kenntnis von zwei der anderen Partien). Ilja hatte Loek van Wely in den Seilen, aber scheiterte an der korrekten Umsetzung. Ich hatte meinen Gegner ebenfalls am Rande einer Niederlage, aber es war nie so menschlich offensichtlich und am Ende verlor ich im Zeitnot-Handgemenge den Faden und die Partie. Eine große Rochade von mir und ein Blick auf die nächste Paarung versprach nichts gutes...
Es wartete der Düsseldorfer SK, mir gegenüber saß der Topscorer am dritten Brett (selbst wenn ich das so genau auch noch nicht wusste). Wir blieben unserem Vorgehen vom Vorjahr treu (den DSK schlagen und hinter ihnen landen). Ilja verpasste es leider seine Glanzpartie mit dem Matt zu krönen und so blieb es an mir hängen, den Sieg abzusichern. Das war ein hartes Stück Arbeit, hatte ich doch nach gutem Beginn recht unnötig einen Bauern gegeben. Mittels radikaler Mittel (Opferung von diversen Figuren) sorgte ich für Komplikationen und hielt die Partie am Laufen. Was Stockfish davon hält wird sich in Gänze nicht mehr klären können, aber am Ende schaffte ich es gleich zwei mutmaßlich verlorene Endspiele zu überstehen (TLB vs TBBB transformierte sich in T vs BBB) und das Remis zu retten.

Der Audi war abgewendet. Apropos Serien noch eine interessante Beobachtung: ein Spieler der zweiten Bundesliga startet mit 0/8 und holte am Ende 9/9 aus den letzten Runden. Das waren mal zwei ungleiche Hälften...
Die letzte Runde wartete mit einer für uns nicht mehr relevanten, aber doch ungewöhnlichen Ansprache auf: eine Mannschaft hatte sich bereits auf den Weg zum Bahnhof begeben - es handelte sich ausgerechnet um den Gegner von Remagen, die im Falle einer Niederlage noch von Solingen abgefangen worden wären. Zugegeben, die Chancen würde man nicht als zu hoch einschätzen, trotzdem nicht schön, nicht mehr anzutreten, da es sich um ein Match mit Relevanz handelte. Für uns wartete zum Abschluss noch Baden-Baden. Ja, es ist der Seriensieger der Bundesliga, aber nein, nicht hier. In der Mannschaft befand sich kein Großmeister und wir kamen zu einem ungefährdeten Abschlusssieg.

Damit sicherten wir uns am Ende immerhin den siebten Platz. Angesichts des Startranges 10 nach klassischer Elo (gezählt von mir - es gab aus mir unbekannten Gründen weder eine solchermaßen sortierte Startrangliste, noch - wie ich mich gerne wiederhole - eine Liste mit Blitz-Elo) sogar eine Verbesserung. Man kann hierbei nur merken, wie sich der eigene Anspruch geändert hat. Wer nochmal selbst alles im Detail nachschauen will, wird hier (https://chess-results.com/tnr778252.aspx?lan=0&art=0) fündig.
Zum Abschluss noch eine sehr erfreuliche Nachricht: am Ende des Tages hatten wir sogar einen Sieger, denn Tobias teilte sich den ersten Rang an Brett 4!
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