
Anfang Februar, es stand der Aufstiegsgipfel in der Oberliga an. Gastgeber und Gegner war die zweite Mannschaft des SV Werder Bremen. Bis dahin waren wir beide mannschaftspunktgleich, der Sieger würde sich höchstwahrscheinlich entscheidend absetzen.
Für das Match boten wir alles auf, was ging. Leider stellten wir bei der Ankunft in Bremen fest, dass unsere Gegner uns völlig ernst nahmen und mit einer von Titelträgern gespickten Truppe antraten. Spielort war die Platinloge im Stadion des Bremer Fussballklubs. Zielstrebig versuchte die eine Hälfte von uns sportlich die Treppe zu nehmen, anstatt auf den Fahrstuhl zu vertrauen. Gestoppt von einer verschlossenen und vergitterten Tür mussten wir dann aber den kläglichen Rückzug antreten. Das erste Mal falsch abgebogen, es hätte ein Zeichen sein können. Die andere Hälfte traf dann noch rechtzeitig nach fast vollständigem Umrunden der Arena beim richtigen Eingang ein, es konnte also losgehen.
Aufgebaut war bereits alles, daneben spielte die dritte Mannschaft des SV Werder Bremen und nur wenig weiter konnte die Bundesligatruppe beobachtet werden. Leider erwies sich das als schwierig, immerhin hatten wir ja unser eigenes Match zu bestreiten...
Spannung kam eher nicht so richtig auf und da ich ja im Titel sowieso schon immer alles verrate, gehe ich dieses Mal einfach die Partien von oben nach unten durch. Der Fokus liegt dabei auf den Scheidepunkten, wo leider wir diejenigen waren, die öfter falsch abbogen und auf die Verliererstraße gerieten. Am Ende findet sich wie üblich die detailreichere Analyse, vielen Dank an Attila, der seine Partie kommentiert hat!
Brett 1: Anthony Petkidis - Spartak Grigorian 0:1
Anthony hatte keinen guten schachlichen Jahresbeginn. Unsere "Geheimwaffe" hatte unter anderem auch noch das Pech, dass sein Gegner sich auf ihn vorbereitet hatte, obwohl Anthony zur Zeit eher selten für uns spielen kann. Es kam mehr oder minder schnell eine Variante des Najdorf-Sizilianers aufs Brett. Der Zeitverbrauch ließ bereits nichts gutes ahnen, da wich Anthony von der Hauptvariante ab. Der Vorteil, den Gegner aus dem Buch gebracht zu haben wurde kompensiert durch die recht angenehme Stellung des Werderaners. Mutig und leider inkorrekt entschied sich Anthony mit der langen Rochade das Spiel sehr zweischneidig zu gestalten. Der letztlich jedoch entscheidene Wendepunkt kam nach dem typischen Bauernvorstoß ...d5:

Weiß wird entweder Stellungs- oder Materialnachteil hinnehmen müssen, mit der richtigen Positionierung des Läufers war aber ausreichend Kompensation zu erzielen. Anthony entschied sich mit 17.Lg3 für die falsche Diagonale, verlor den Bauern e4 und damit in letzter Instanz die Partie. Dabei sollte die Leistung vom Bremer nicht unterschätzt werden, der mit einer sehenswerten Taktik den Sack zu machte.
Brett 2: GM Jan Werle - FM Tobias Vöge 1:0
Tobias las sich im Auto noch eifrig Wissen für den folgenden Tschigorin an, doch das konnte den Großmeister nicht daran hindern, zumindest eine angenehme Stellung zu erhalten. Mit einem Aufmarsch von Figuren und Bauern versuchte Tobias am Königsflügel Gegenspiel für die positionell schlechtere Stellung zu organisieren, was ihm mit etwas Mithilfe auch hervorragend gelang. Doch dann...

Hier hätte Tobias mit 19...Se2+! den Blockadespringer auf e4 entwurzeln können. Stattdessen entzog er die Dame dem Abtausch, wonach sich der Weiße jedoch konsolidieren konnte. Mit den Versuchen einen Springer zu opfern konnte der Großmeister nicht beeindruckt werden, der erst zugriff, als Tobias im Angriffsbemühen seinen Turm in eine Position schickte, aus der er nicht wieder befreit werden konnte.
Brett 3: FM Frank Buchenau - IM Rolf-Alexander Markgraf 0:1
Ja, an den vorderen Brettern wurden wir fertig gemacht. Frank wich dem offenen Sizilianer aus, produzierte dabei allerdings eine sowohl kreative als auch fragwürdige Figurenansammlung am Damenflügel. Noch war der Schaden nicht auf dem Brett manifestiert, doch schließlich verweigerte Frank einmal zu oft den Vorstoß d4:

Nach 12.Sc2 nutzte der internationale Meister die Gunst der Stunde und fixierte den d-Bauern mit 12...Se5!. In der Folge überspielte er Frank mit dynamischen Spiel, bevor er effektvoll am Königsflügel vollstreckte.
Brett 4: Nikolas Wachinger - FM Christian Polster ½:½
Vorher hatte der Bremer in einem IM-Turnier seine erste Norm erzielt (Glückwunsch an dieser Stelle), war also gerade so richtig eingespielt. In der Eröffnung entstand eine Maroczy-Struktur nach anfänglichem Rossolimo. Für Christian war alles auch noch im grünen Bereich, doch es dauerte nicht lange, da übersah er einen für diese Struktur typischen taktischen Schlag.

Wer es gesehen hat: Glückwunsch! Nikolas spielte korrekterweise 15.Sd5! und die schwarze Stellung klappte in sich zusammen. Doch während es bis dahin ein recht einseitges Spiel gewesen war, so änderte sich jetzt plötzlich das Momentum. Der Werderaner zeigte Verwertungsprobleme und ließ Christian in ein Endspiel entkommen. Vielleicht zeigte sich jetzt die Belastung des vorangegegangenen Turniers? Auch wenn Christian mit einem unnötigen Bauernverlust noch leiden musste, scheint die Partie zu beweisen, dass das Turmendspiel Remis ist. Da haben wir gearde noch die komplette Null in der vorderen Hälfte vermieden.
Brett 5: Rudi Hörstmann - GM Gennadij Fish ½:½
Rudi sah sich einem defensiv eingestellten Großmeister gegenüber. Mit dem Tarrasch deutet er bereits an, dass sein Ziel offenbar ein solides Schwarzremis war. Verdeutlicht wurde das Ganze noch durch die Abwicklung in ein Endspiel, in dem Weiß noch drücken kann, Schwarz sich durch gute Verteidigung aber relativ problemlos halten kann.

Der Bremer spielte recht zügig, schien also zu wissen was er da tat. Der Bauerngewinn half nicht weiter, für Rudi war nichts zu machen und so musste er schließlich ins Remis einwilligen.
Brett 6: IM Gerlef Meins - Martin Hörstmann 1:0
Martin schien auf den ersten Blick mit einem Abtauschslawen gute Aussichten auf ein Remis zu haben, doch dann zeigte sich, dass der Bremer noch einen giftigen Pfeil im Köcher hatte. Mit Engine und einem Eröffnungsbuch bewaffnet kommt man schnell auf die richtige Idee, Martin am Brett hingegen konnte sich nicht erinnern und verpasste das aggressive g5 gleich zweimal.

Nach dem Bauernzug auf der falschen Brettseite konnte Weiß mit 14.Sa4! in Vorteil gelangen. In der Folge war es bereits schwierig. Martin versuchte es mit einem Figurenopfer. Sein Gegner hatte dieses bereits einmal auf dem Brett gehabt, musste aber trotzdem noch lange nachdenken, um die Widerlegung die ihm entfallen war erneut zu finden. Letztlich zeigte er sich der Aufgabe aber gewachsen und strich den vollen Zähler ein.
Brett 7: Felix Hampel - IM Sven Joachim 1:0
In meiner Partie kam recht schnell ein Qualitätsopfer meines Gegners aufs Brett. Mein Wissen war diesbezüglich recht begrenzt und so fand ich nicht den Weg, um dieses wenn auch nicht zu widerlegen, so doch zumindest herauszufordern. Nach abgeschlossener Entwicklung von beiden Seiten verpasste ich zu erkennen, dass damit auch das Ende des bislang start strategisch geprägten Spiels eingetroffen war. Zu meinem Glück fand mein Gegner einen anderen "guten" Weg, der es mir jedoch dank einer taktischen Begründung erlaubte, meine Figuren wieder zu koordinieren. Ich entschied mich, meine Qualität zurück zu geben, um dafür einen Mehrbauern zu bekommen und die gegnerische Umklammerung zu lösen. Hier bestand die Gelegenheit für den Bremer zu mauern, was er jedoch zugunsten einer Abtauschaktion unterließ. Besonders schlau wollte ich meinen verbleibenden Turm aktivieren, was den Erfolg hatte meinen Gegner tief abtauchen zu lassen. Trotz der Denkpause fand er den Ausgleichsweg nicht, den hinterher Stockfish unbeeindruckt ausspuckt. Stattdessen strebte er eine (verlorenes) Endspiel an. Kurz vor der Zeitkontrolle tauschten wir noch Fehler aus, doch mit neuer Zeit war offensichtlich, dass ich auf Gewinn stand.

Nach der Partie wies mein Gegner auf einen interessanten Verteidigungsversuch hin, der - obwohl wir ihn vor Ort nicht widerlegen konnten - allerdings auch nicht mehr geholen hätte. Letztlich lief mein d-Bauer durch und kostete den Läufer. Mit dem übrig gebliebenen Bauern auf g2 war die Stellung gewonnen und nachdem ich den ersten der zwei verbliebenen Bauern erobert hatte, streckte mein Gegner noch gerade rechtzeitig vor einem neuen Partieformular die Waffen.
Brett 8: IM Christian Richter - Attila Aba Virag 0:1
Hinten kamen die Punkte, aber da war das Match bereits gelaufen. Attila gelang die Eröffnung laut eigener Aussage ganz gut. Sein Gegner entschied sich frühzeitig gegen eine Änderung der Stellung, womit aber alle Chancen auf Eröffnungsvorteil dahin waren. In der Folge spielte Attila zielstrebig, der Bremer eher zaghaft.

Die Stellung zum Zeitpunkt des Remisangebots war bereits besser für Attila und in den nächsten Zügen baute er seinen Vorteil noch weiter aus. Das dynamische Spiel ging allerdings auf Kosten der Prophylaxe und so ergab sich fast schon zufällig die Chance zum Ausgleich für den Werderaner. Als dieser jedoch nicht zugriff, schritt Attila mit einer taktischen Abwicklung zur Vollendung. Innerhalb der Kombination wurde er jedoch einer Mattdrohung gewahr, die den Plan zunichte machte. Obwohl es mit dem richtigen Damenzug immer noch klarer Vorteil gewesen wäre, war es diesmal Attila der fehlgriff. In hoher Zeitnot konnte der Weiße aber das Geschenk nicht nutzen und wurde gar noch mattgesetzt.
Im Gesamtergebnis steht also ein 3:5 aus unserer Sicht zu Buche. Natürlich schade und etwas ärgerlich, gegen die uns doch klar überlegene Truppe haben wir aber nicht so schlecht abgeschnitten. Um noch einmal den Bogen zum Titel zu schlagen: vor diesem Match hatten wir ganze 13(!) Begegnungen in Folge in der Oberliga gewonnen. So verbleibt noch das Ziel - wie auch in der Vorsaison - mit nur einer Niederlage gegen den haushohen Favoriten Zweiter zu werden. Den nächsten Schritt dafür können wir noch in diesem Monat in der Begegnung gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Hannover 96 machen.
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