Endspieltraining mit GM Dr. Karsten Müller

Am letzten Wochenende war zum zweiten Mal der Endspielexperte Karsten Müller für ein Trainingsseminar mit Teilen der ersten Mannschaft im Lister Turm. Thema waren, welch Überraschung, Endspiele. Genauer gesagt ging es um Turm und Leichtfigur gegen Turm und Leichtfigur. Dadurch konnte der Samstag in fünf Abschnitte gegliedert werden.
Den Anfang machte das Endspiel TS gegen TS. Wie üblich erklärte uns Karsten die Feinheiten und Grundlagen anhand eines Partiebeispiels. Rege Beteiligung war gerne erwünscht und so äußerten wir unsere Meinungen zu Zügen und Ideen, gerne war Karsten dann auch bereit abseits der gespielten oder erwarteten Züge zu analysieren. Fragen konnten mal mehr (spezifisch) oder weniger (allgemein) genau beantwortet werden, nicht alles lässt sich leider perfekt festlegen, aber sonst wäre Schach ja kaum so spannend!
Wie reichhaltig auch scheinbar langweilige Endspiele sein können, beweist folgendes Beispiel aus Andersson-Robatsch, München 1979:
 

Schwarz muss aufpassen
Schwarz ist am Zug und mit genauem Spiel sollte er sich gut halten können. Was ist hier der richtige Zug?


Findet man als Nachziehender nicht den genauen Weg, so steht einem dank des schlechteren Springers eine undankbare Verteidgung bevor und wie Karsten uns gerne erinnert: ein Mensch ist kein so guter und vor allem geduldiger Verteidiger wie ein Computer.

Im Anschluss wechselten wir die Leichtfigur. Stellungen mit Läufer gegen Läufer lassen sich aufteilen in ungleichfarbige und gleichfarbige Endspiele, die große Unterschiede aufweisen. Als erstes kamen die ungleichfarbigen Läuferendspiele dran. Weit verbreitet ist der Glaube, dass ungleichfarbige Läufer Remis bedeuten. Zwar ist dies in den allermeisten Fällen selbst bei Minusmaterial für reine Läuferendspiele korrekt, doch in Verbindung mit einem Turm trifft diese Einschätzung weitaus seltener zu. Denn was gerne unterschätzt wird: das Angriffspotential mit ungleichfarbigen Läufern ist hoch, da man im Prinzip mit einer Figur mehr auf der entsprechenden Farbe spielt.
Nachdem wir uns durch die von Mattmotiven dominierte Partie zu ungleichfarbigen Läufern gekämpft hatten, kamen die gleichfarbigen Läufer. Hier geht es dann doch deutlich strategischer zur Sache. Ein gutes Beispiel ist dieser Ausschnitt aus Carlsen-Caruana, Bilbao 2012:
 

Carlsen zeigt den Weg
Weiß am Zug steht offensichtlich besser. Was ist die richtige Idee?


Auch typisch waren die drei Blätter mit Aufgaben, die über den Tag verteilt wurden. Zu den Läufern kam der erste und in der Rückschau betrachtet einfachste, obgleich es niemanden gelang die volle Punktzahl zu erreichen. Im Vergleich zum letzten Mal sparten wir uns das Mittagessen ein und so fiel die Pause deutlich kürzer aus. Dadurch geht der Rhythmus nicht verloren.

Wieder erfrischt kamen wir dann zu den Endspielen mit Turm und Läufer gegen Turm und Springer. Hier wurde sinnvollerwesie noch unterschieden, welche Seite denn auf Gewinn spielt. Wir begannen mit der Läuferseite, der mit seiner Langschrittigkeit dem Springer in eher geöffneten Stellungen mit Bauern auf beiden Flügeln überlegen ist. Anhand der virtuosen Läuferkunst von Fischer verbunden mit tiefen Analysen nachfolgender Generationen verbesserten wir hoffentlich unser Verständnis im Umgang mit dem Paar Turm/Läufer gegenüber einem hilflosen Springer.
Nach einem weiteren Übungsblatt drehte der Springer den Spieß herum und wir konnten uns damit befassen, wie der Springer einem passiven Läufer den Garaus macht. Leider näherte sich hier bereits das Seminarende und der Abschnitt fiel vergleichsweise knapp aus. Vielleicht sollten wir einfach durcharbeiten? Zum Abschluss hier noch eine Aufgabe vom letzten Zettel (Aseev-Inarkiev, Elista 2001):
 

Es geht immer noch besser
Weiß gewann auch ohne den besten Zug, doch wie kann Weiß seinen Druck maximieren?


Mit dem letzten Zettel kam auch die abschließende Auswertung. Geteilt am meisten Punkte hatten Martin und Torben, herzlichen Glückwunsch! Doch letzten Endes kam es auf unsere Lernerfahrung an und ich bin mir sicher, es wird uns geholfen haben, eine größere Sicherheit in Endspielen zu entwickeln und das Potential auch in scheinbar harmlosen Endspielen zu erkennen! Eine Fortsetzung ist bereits geplant und wir freuen uns bereits auf die dritte Auflage.

Lösungen:
1:
1...Tc8! Die Besetzung der offenen Linie ist von größter Wichtigkeit. Das in der Partie gespielte 1...a6, was den Springer einschränken soll, erlaubt es hingegen dem Weißen mit 2.Tac1 die Kontrolle über die c-Linie zu gewinnen, wonach der Sb8 eine traurige Rolle einnehmen wird.

2: 1.g4! Legt den Bauern auf h6 fest und greift weiteren Raum auf dem Königsflügel. Durch weiteres Vorrücken am Königsflügel schaffte Carlsen letztlich eine zweite Schwäche.

3: 1.Tf1! Bereitet f4 noch vor, so dass im Anschluss der Turm eine besonders aktive Rolle einnimmt. Auf 1...Tf8 kann 2.Th1 folgen und Weiß steht mit seinen drei aktiven Figuren gegenüber den zwei schwarzen Figuren auf Gewinn.

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