Über 6 Stunden Spielzeit, 0 Remisen und am Ende ein sehr hart erkämpfter Sieg. So lässt sich in ein paar Worten unzureichend zusammenfassen, was eigentlich kaum zu beschreiben ist. Hier bei mir dauerte es etwas länger, dies alles durchzugehen, zu analysieren und nachzuvollziehen. Für einen lesenswerten direkteren Eindruck verweise ich gerne auf den Bericht der Gastgeber: http://sknb-online.de/joomla1/index.php/2-startseite/701-sknb-lister-turm.
Ein Auswärtsspiel gegen Nordhorn beginnt immer mit der Anreise. Die resultierte bei uns in 5(!) unterschiedlichen Anfahrten, obwohl die Ergebnisse zeigten: am Tag vorher anreisen war keine gute Idee, genauso wie eine Fahrt mit dem Schiedsrichter. Jedenfalls gelangten wir alle rechtzeitig zum Spielort, der in seiner Größe der Situation definitiv angemessen war. Dort erwartete uns dann eine schon geahnte starke Aufstellung der Gastgeber, die so ziemlich alles auffuhren, was möglich war. Leicht würde es nicht werden, aber wie hart hatten wir uns dann doch nicht ausgemalt.
Die Eröffnungsphase war durchaus passabel verlaufen, jedenfalls im Großen und Ganzen. Ein paar Stellungen luden zwar nicht zu Optimismus ein (Ilja, Frank), ein paar ließen jedoch bereits einen positiven Trend erkennen (Dennes, Martin), während andere entweder solide oder hoffnungsvoll aussahen (Stefan, der Autor, Tobias, Rudi). Der Hingucker der Anfangsphase war definitiv folgender Schlag am letzten Brett:
Nach dem starken, taktisch begründetem, Durchbruch des d-Bauern begann ein Spiel auf ein Tor, selbst wenn die Partie dennoch erst als Letztes beendet sein würde.
Anschließend war dann aber auch die Eskalation anderswo nicht mehr aufzuhalten. Partien kippten bzw. entschieden sich, doch öfter nicht zu unseren Gunsten.
Brett 1 Ilja:
Die Eröffnung schien erst noch in für Ilja bekannten Bahnen zu verlaufen, doch schnell zeigte sich, dass das trickreiche weiße Spiel (welches in einem Doppelbauern gegen das Läuferpaar kulminierte) auch Gefahren in sich trug. So eroberte Ilja einen Bauern, den er besser in Ruhe gelassen hätte, denn mit dem schwarzen Läuferpaar erwies sich das entstehende Endspiel als ziemlich problematisch. Erst gewann der Nordhorner den Bauern zurück, dann übte er unangenehmen Druck aus. Ilja fand keine gute Verteidigung und wie es dann so oft ist, kommt es dann gleich richtig schlimm. Taktisch ging entscheidendes Material verloren und wir lagen 0:1 hinten.
Brett 3 Stefan:
Hier lief es hingegen ganz gut für uns, abgesehen von einem Schreckmoment und der daraus ultimativ entstehenden Chance. Anfangs lief der Holländer des Niederländers in Nordhorner Diensten überhaupt nicht gut und daher griff der Schwarze zu radikalen Maßnahmen:
Tatsächlich hätte Stefan hier auch auf e3 zugreifen sollen, doch verständlicherweise spielte er lieber solide. Das führte schließlich zum Gewinn des vorgerückten e-Bauern, allerdings hatte sich Schwarz soweit entfaltet, dass er ein remisliches Endspiel hätte erreichen können. Stattdessen erlaubte er einen wichtigen Zwischenzug für Stefan, wonach der Minusbauer in einem schlechten Schwerfigurenendspiel verblieb. Da ließ Stefan auch keine Gnade walten und noch vor der Zeitkontrolle erzielte er das 1:1.
Brett 5 Tobias:
Bei Tobias hatte es eine heutzutage nicht mehr so ungewöhnliche, aber doch nicht normale Eröffnung mit frühem a6 und h6 gegeben. Zuerst gelang es Tobias gut, den Nordhorner hinten zu halten und sich langsam bedrohlich am Königsflügel in Stellung zu bringen. Dann jedoch wollte er mit dem Bauernaufmarsch auf g4 zu ambitioniert zu Werke gehen. Nach genauem Spiel des Gegners verblieb er ohne Angriff, schwachen Bauern und offenem König. Doch in einem Zeitnotgemenge schaffte es Tobias doch noch zu Gegenspiel zu kommen, genug, dass die Chance zur Rettung plötzlich da war. Letztmalig hier:
Selbst mit mehr Zeit ist diese Stellung nicht so leicht zu lösen und Tobias gelang es leider kurz vor der Zeitkontrolle nicht. Stattdessen schlug der Mattangriff des Nordhorners durch und besiegelte das 1:2.
Zwischenspiel
Die anderen fünf Partien gelangten nicht vor der Zeitkontrolle zur Entscheidung (jedenfalls nicht als Resultat), doch das lag nicht an einem Mangel an Action. Deshalb ein paar Zwischenstände, der Reihe nach von vorne bis hinten (bis auf eine strukturell sinnvolle Ausnahme).
Dennes hatte mittels eines geschickt provozierten Abtauschs eine strategisch gute Stellung erhalten:
Mit dem starken 25...gxf6! entwickelte Dennes starken Druck am Königsflügel. Damit gelang es ihm, das anfängliche nicht so überzeugende Eröffnungsspiel des Gegners, welches in diesem Endspiel gemündet hatte, zu bestrafen und kurz darauf ein gewonnenes Doppelturmendspiel zu erreichen.
Dahinter an 4 hatte ich in der Eröffnung eine solide und völlig in Ordnung aussehende Stellung erhalten. Leider kam ich auf den fehlgeleiteten Gedanken, eine Klärung der Stellung forcieren zu können. Anstatt des vorigen Ausgleichs erkannte ich aber zu spät, dass ich völlig auf Verlust stand:
Verloren war die Stellung egal, wie man es betrachtet und so entschied ich mich für eine unerwartete Lösung mittels Springeropfer. Leider war mein Gegner auf der Höhe und zerstörte jegliche Hoffnungen auf Gegenspiel rasch und gründlich. Dann fing er aber auf der Zielgeraden an in Zeitnot zu wackeln und mich wieder ins Spiel zurück zu lassen, womit nach der Zeitkontrolle die Hoffnung vorsichtig zurückkehrte.
Unsere Hörstmann-Doppel hinten erreichten beide überlegene Stellungen. Bei Rudi an 7 ergab sich ein Wolga, in dem die schwarze Kompensation zweifellos vorhanden war. Doch dann entschloss sich der an diesem Spieltag einzige deutsche Spieler in den Reihen der Nordhorner zu einem fehlgeleiteten Angriff, den Rudi gut parierte:
Einzig kritisch war der Zeitverbrauch, doch der Mangel an schwarzem Gegenspiel (und der ebenfalls knappen Zeit des Nordhorners), sorgten dafür, dass in einer ereignisarmen Zeitnotphase keine problematischen Änderungen geschahen.
Dahinter hatte Martin seinen frühen taktischen Schlag gut ausgenutzt und eine überlegene Stellung bekommen. Auch wenn es vor der Zeitnotphase bzw. in dieser nochmal hoch herging, schaffte er es, seinen Vorteil festzuhalten und schließlich noch weiter zu vergrößern.
Damit waren die Aussichten an allen Brettern relativ klar und deuteten auf ein 4:4 (wenn man meine Stellung tiefer untersucht hatte, vielleicht auch schon ein 4,5:3,5) hin. Allerdings müssen alle solchen Partien auch erst ausgespielt werden.
Brett 6 Frank:
Bei Frank hatte sich ausgangs der Eröffnung bereits ein Endspiel ergeben. Da galt es aufzupassen, nicht unter Druck zu geraten, wo Frank leider den Moment seinen weißfeldrigen Läufer zu entwickeln zu lange verpasste. Deshalb laborierte er für die Hauptphase der Partie an der daraus resultierenden Passivität, was nach einer verpassten besseren Verteidigung zu einem verlorenen Leichtfigurenendspiel nach der Zeitkontrolle führte. Dort war nichts mehr zu erfinden und auch wenn Frank noch einen ehrenwerten Versuch unternahm, zeigte der Nordhorner keine Schwäche. Damit stand es durchaus erschreckend 1:3.
Brett 2 Dennes:
Die Eröffnung hatte nach einer Variation von Dennes sehr gut geklappt und nach der obig gezeigten strategischen Entscheidung einen Doppelbauern für aktive Türme einzutauschen, dauerte es nicht lange, bis Dennes einen Bauern eroberte. Allerdings ist Aktivität oft genug mehr wert und als der Nordhorner als Ersatz für den Bauern einen Turm in der anderen Hälfte platzieren konnte, musste Dennes schon genau sein. Die passive Verteididgung seiner Bauern durch Dennes hätte dem Weißen genug Gegenspiel liefern können, aber nachdem er in Zeitnot ebenfalls nicht die besten Züge fand, bewies Dennes seine starke Technik nach der Zeitkontrolle und fuhr sicher den Anschlusstreffer ein: 2:3.
Brett 4 Felix:
Das Desaster nach der Eröffnung hatte ich schon angesprochen, anschließend zeigte ich aber eine ausreichende Gegenwehr, damit es dem Weißen nicht zu leicht fiel. Vor der Zeitkontrolle entschied sich der Nordhorner dann auch falsch, indem er die Dinge forcierte und für einen aktiven Turm den letzten Bauern am Damenflügel aufgab. Nach der Zeitkontrolle war es auch entsprechend nicht mehr klar:
Anschließend versuchte es mein Gegner weiter, doch der Bauerngewinn am Königsflügel, den Weiß schaffen konnte, erwies sich nicht als hilfreich. Die Freibauern rückten weiter und so kam es, wie es oftmals passiert, wenn man den Gewinnchancen nachtrauert: man gerät in Nachteil. Der Moment zum noch leichten Remis war verpasst und anschließend wurde es immer schlimmer, bis am Ende die Bauern nach einem Qualitätsopfer die Partie zu meinen Gunsten entschieden. Damit war mit dem 3:3 wieder der Gleichstand hergestellt.
Brett 7 Rudi:
Das Wolga-Gambit war bereits für Schwarz schief gelaufen, nun stand nur noch an, den Vorteil auch in den Sieg umzuwandeln. Methodisch und überzeugend ging Rudi vor: mittels Sb5 wurde der Damenflügel kontrolliert, im Zentrum mit der Bauernmasse Schwarz noch weiter zurückgedrängt und schließlich auch am Königsflügel ein Bauernaufmarsch angedroht und umgesetzt:
Nach der Öffnung (44.f6 exf6 45.exd6) drangen die Schwerfiguren in die schwarze Stellung ein, in Verbindung mit dem Freibauern auf der d-Linie und dem nachrückenden Springer war schnell jede Gegenwehr überwunden und mit unabwendbarem Matt auf dem Brett streckte der Nordhorner die Waffen zu unserer ersten Führung: 4:3.
Brett 8 Martin:
Kurzfristig wegen Krankheit eingesprungen, leistete Martin als Fahrer und Spieler ganze Arbeit. Erst das starke d5! und anschließend überspielte er den Gegner noch weiter. Die Taktik wirkte auch weiterhin, selbst wenn es teils mit einem potentiellen Qualitätsopfer vielleicht schon zu schön sein sollte. Doch letztlich entstand eine Stellung mit zu vielen Mehrbauern, da half auch die lange Gegenwehr des Nordhorners nicht. Zwar gelang es ihm trotz dreier(!) Minusbauern die Partie zur letzten laufende Partie zu machen, doch schließlich gingen ihm die Schachs aus und Martin war mit seiner sorgfältigen Verwertung am Ziel, genauso wie wir: 5:3.
Ein wirklich harter Kampf, der durchaus auch nur Unentschieden hätte ausgehen können. Mit etwas Pech wäre auch hier - wie schon gegen die Bremer am zweiten (bzw. für uns ersten) Spieltag - eine Niederlage möglich gewesen. Aber Ende gut, alles Ende gut. Damit stehen wir trotzdem bei 100% und haben zwei richtig schwierige Gegner und Mannschaftskämpfe erfolgreich überstanden.
Lustigerweise stehen wir vorerst nur auf Platz 4 - mit einem Nachholspiel allerdings. Ein Selbstläufer ist der Aufstieg nach wie vor nicht, aber einen wichtigen Schritt sind wir in Nordhorn gegangen.
Am nächsten Spieltag steht ein Heimspiel gegen Lehrte an (der Nachteil bei einem Heimspiel mehr...), wo wir vielleicht mal weniger Schreckmomente erleben könnten, obwohl man immer aufpassen muss!
Zum Abschluss gibt es noch die grob analysierten Partien ab einem interessanten Startzeitpunkt. Viel Spaß!
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