Endlich wieder regulär Schach am Wochenende! Dabei ist die letzte Ligarunde noch gar nicht so lange her, dem lange austehenden letzten Wochenende der drei Jahre umspannenden Vorsaison sei Dank. Dennoch begann unsere Oberligasaison mit einer längeren Pause, da wir den ersten Spieltag aufgrund der parallel stattfindenden Deutschen Blitzmannschaftsmeisterschaft verschoben hatten (Platz 5 war ein lohnender Grund).
Diese Saison soll es endlich wieder soweit sein - der Aufstieg lockt. Zwar sind wir dank der Abwesenheit von Mannschaften mit bezahlten Titelträgern klarer Favorit, doch ein Spieltag muss dennoch erstmal gewonnen werden. So stand uns auch gleich einer der stärksten Konkurrenten gegenüber. Der SV Werder Bremen III ist zwar nicht die zweite Mannschaft, mit der wir uns bereits in der Oberliga, als auch der zweiten Bundesliga erfolglos duelliert hatten, doch auf die leichte Schulter nehmen sollten man sie sicherlich nicht. Um es vorweg zu nehmen: am Ende stand der Mannschaftssieg zu Buche, aber leicht war dies nicht. Sogar ohne ihre beiden 2300+ Spieler an 1 und 2 lieferten die Bremer uns einen Kampf, der mit etwas Pech auch leicht hätte anders ausgehen können. Ein Kaltstart von 0 auf 100 war erforderlich.
Doch der Reihe nach. Gespielt wurde diesmal nicht im unserem gewohnten Lister Turm, denn wie so viele Freizeitheime ist dort im Moment kein Spielsaal für uns zu bekommen. Glücklicherweise gab es dann doch noch ein Spiellokal, welches die rettende Öffnung bot: das Freizeitheim Stöcken. Ich will nicht schlecht über unseren Lister Turm reden, aber der Raum in Stöcken sah mindestens 50 Jahre moderner aus, war angenehm hell und dazu auch groß genug, dass wir problemlos alle Bretter einzeln verteilt unterbringen konnten (und dazu ordentlich Raum für Zuschauer hatten, danke an unsere Fans und an Uwe für die Fotos!). Insbesondere in Anbetracht der drohenden Fahrt nach Nordhorn würde ich da sicherlich direkt wieder spielen :)
Die erforderlichen Aktionen bis zum heiß ersehten Spielstart gelangen uns allen insgesamt doch recht gut und so stand nichts mehr dem Schach im Weg.
Die Eröffnungszüge boten erstmal Anlass zu erstem vorsichtigen Optimismus. Vorne hatten wir zwar erstmal nicht viel, jedoch wirkte es so, als ob es eher leichter Vorteil an 1 und 2 für uns sein würde. An 3 und 4 sah es auf jeden Fall auf der Uhr und gefühlt auch auf dem Brett ganz gut aus. Dahinter war die Welt noch deutlich unklarer, ersichtlicher Grund zur Sorge bestand auch noch nicht. Aber was hat diese erste Phase schon zu bedeuten?
Machen wir einen kleinen Zeitsprung und gehen diesmal umgekehrt vor: hinten fehlte ein Bauer, obgleich Zeit und praktische Schwierigkeit der schwarzen Stellung Grund zur Hoffnung auf eine positive Wendung für Sreyas boten. Olaf Steffens wusste mit seiner Eröffnungsbehandlung nicht zu enttäuschen und es ergab sich folgende Stellung (schwierig einzuschätzen für den Beobachter):
Rudi hatte für das eingebüßte Läuferpaar andere Vorteile gewonnen (bessere Bauernstruktur, starker Springer), was aber wirklich relevanter ist war noch nicht abzusehen (obwohl ich mir durchaus Sorgen machte). Bei Frank hingegen fing es bereits an etwas unangenehm auszuschauen, denn wenn der Gegner an allen Flügeln zu spielen scheint, ist es meist kein gutes Zeichen. Dafür war ich mir sicher, dass es an 4 eine genau richtige Tobias-Stellung gab und hätte jede Wette akzeptiert, dass der volle Punkt kommen wird.
Bei mir zeichnete sich ab, dass positionell wenig Freude bei meinem Gegner herrschen konnte und es deshalb ein Angriff richten musste. Ich glaubte nicht so recht daran, was einerseits objektiv durchaus stimmig war, allerdings andererseits in einer praktischen Partie keine ungefährliche Sache ist. Bei Dennes wirkte es erstaunlicherweise so, als hatte er nicht nur jedes Momentum verloren, sondern der Trend und das Gefühl sprachen bereits für den Gegner. Vielversprechender sah es bei Ilja aus, der auf dem besten Wege schien zu beweisen, dass eine symmetrische Bauernstellung und der Abtausch vieler Figuren keineswegs ein sicherer Weg zum Remis darstellt.
Spannung überall, dann schlug es bei mir ein:
Das daraus folgende Chaos konnte ich leider nicht so leicht in den Griff bekommen und bis zum Partieende gab es nichts anderes mehr für mich, als den Angriff abzuwehren. Als ich dann fertig war, spielten nur noch unsere beiden IMs vorne. Was war also passiert?
Brett 8 - Sreyas (Sieg):
Zuerst war ein Bauer weg, doch dann fand der Werderaner keinen der vorhandenen Wege, um den Vorteil festzuhalten. Im Gegenteil - bald darauf war er der Spieler mit dem Minusbauer. Da er den auch noch mit einer schlechten Stellung bezahlt hatte, gesellte sich bald ein zweiter Bauer dazu und Sreyas ließ nichts mehr anbrennen. Ein schönes Comeback und ein erfolgreicher Einstand bei uns!
Brett 7 - Martin (Niederlage):
Die Eröffnungsphase war schon sehr kreativ verlaufen, doch dann setzte der Bremer noch einen (oder sollte man sagen zwei?) drauf:
Das schlimmste daran war die Tatsache, dass es auch noch objektiv gerechtfertigt war. Martin versuchte noch dem Angriff zu entkommen, aber am Ende wurde der König in der Mitte des Brettes gestellt und Matt gesetzt. Eine Glanzpartie von Olaf Steffens!
Brett 6 - Rudi (Remis):
Das Ungleichgewicht in der Stellung nahm zuerst die von mir befürchtete Wendung zum Schlechten, doch glücklicherweise wickelte der Bremer ab und das entstehende Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und einem Turm wurde sofort Remis gegeben. Da hätte auch leicht eine Null draus werden können.
Brett 5 - Frank (Niederlage):
Am Damenfügel spielte der Gegner, am Königsflügel wurde das hannoversche Gegenspiel direkt unterbunden (h4 lässt grüßen), dann fiel im Zentrum alles auseinander. Material ging verloren und Kompensation suchte Frank vergeblich. Das war ein überzeugender Vortrag des Gegners.
Brett 4 - Tobias (Sieg):
Die Eröffnung war dem Bremer missglückt und auch wenn Tobias mit seiner Verwertung unzufrieden war, so war es doch immer ein Spiel auf ein Tor. Sicherlich auch aufgrund knapper Zeit konnte der Berichterstatter der Werderaner (zu finden hier: https://www.werder.de/schach/aktuell/informationen/news/2021/svw-20211025-buc/) - sehr empfehlenswert!) keinen ernsthaften Widerstand leisten und das gewünschte Gegenspiel sorgte in letzter Konsequenz nur für den Verlust zu vieler wichtiger Bauern. Viel zu meckern gab es da nicht.
Brett 3 - Felix (Sieg):
Von Anfang an hatte ich das Gefühl, regelmäßig weniger aus der Stellung herauszuholen, als möglich gewesen wäre. Trotzdem war der strukturelle Vorteil dauerhaft und unangenehm groß, so dass mein Gegner lieber sein Heil in einem Opferangriff suchte (und bestimmt auch, weil er die Offensive bevorzugt). Objektiv betrachtet inkorrekt, erwies ich mich der mir gestellten Aufgaben nur eine Weile gewachsen genug, um den gewinnbringenden Vorteil festzuhalten. Dann übersah ich von Schachblindheit geschlagen den einfachen direkten Gewinn, da mir der entscheidene Zug leider nicht als legaler Zug in den Sinn kam, und gab stattdessen meinem Gegner eine Chance zum Remis.
Glücklicherweise sah dieser den Ausweg nicht und ich konnte mein Mehrmaterial konsolidieren. Die spielentscheidende Zeitüberschreitung beschleunigte nur, was in Anbetracht der Stellung unausweichlich geworden war.
Die Zeitkontrolle war erreicht und beim Stande von 3,5-2,5 für uns liefen nur noch die beiden oberen Bretter. Benötigt wurde ein Punkt und der sollte auch kein Problem mehr darstellen.
Brett 2 - Dennes (Remis):
Sagte ich kein Problem? Das ist zutreffend, jedoch nur unter Annahme der bereits passierten Zeitkontrolle. Zuvor hatte sich die Stellung immer weiter verschlechtert und der Werderaner konnte sich dem Sieg zurecht sehr nah fühlen. Zum Glück für Dennes und uns vergab er den größten Teil seines Vorteil jedoch direkt vor dem 40. Zug und gab sich dann ohne wirkliche weitere Versuche mit dem Remis zufrieden.
Brett 1 - Ilja (Sieg):
Was anfänglich noch nach einer Modellpartie aussah, entwickelte sich zu einer, vorsichtig formuliert, wackeligen Verwertung. Die aktiveren Figuren hatten Ilja schließlich ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern beschert. Das muss doch leicht gewonnen sein, oder? An sich ja, aber wenn es nicht präzise behandelt wird, so ergeben sich plötzlich doch unerwartete Schwierigkeiten und der sicher geglaubte Sieg erforderte auf einmal einzige Züge. Die Tablebase verrät, dass sich zwischendurch ein theoretisches Remis auf dem Brett befand, doch auch als Verteidiger sind einzige Züge nötig und am Ende stand der folgerichtige Sieg.
Damit gewannen wir den Mannschaftskampf in Summe mit 5-3, ein guter Einstand und ein Sieg, den wir zwar auch verdient haben, der uns aber nicht in den Schoß gefallen ist. Wäre wirklich alles gegen uns gelaufen, so hätte auch eine Niederlage zu Buche stehen können. Wir sehen: ein Selbstläufer ist die Liga nicht.
Ein spannender Spieltag gegen Werder Bremen 3, jetzt hoffe ich auf einen ebenfalls erfolgreichen, aber nicht so nervenaufreibenden nächsten Mannschaftskampf gegen Nordhorn-Blanke!
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