
Nach längerer Abstinenz sind wir in Folge unseres Sieges bei dem NSV-Pokal (siehe https://www.schachklub-hannover.de/am-seidenen-faden-zum-nsv-pokalsieg) mal wieder beim Deutschen Pokal vertreten.
In der Vorrunde verschlug uns die Auslosung nach Oberhausen in NRW. Ein Blick auf die Gegner zeigte uns: gegen den Gastgeber Sterkrade und Gernsheim würden wir mehr oder weniger deutlich Favorit sein, gegen Magdeburg eher weniger. Doch aufgrund des Systems würden wir bis mehr oder weniger vor Start des ersten Matches nicht wissen, gegen wen es gehen würde.
Als erstes galt es eine Mannschaft zu finden, am Ende waren es neben dem Autor noch Johannes, Kai und unser Fahrer Martin. Damit verkürzte sich die Anreise deutlich und trotz winterlicher Temperaturen, sowie eine Unfalls (glücklicherweise war der Stau schon lang genug, dass wir vor einer Ausfahrt merkten, was drohte) gelangten wir pünktlich zum Spielort, eine Aula. Dort erwarteten uns schon Brötchen, in Handarbeit geschmiert, und genug Bretter für drei Wettkämpfe. Aber lieber zu viel, als zu wenig, die Spielbedingungen waren gut!

Etwas verwunderlich war der Schiedsrichter, der den Rundenbeginn um 14 Uhr als Zeitpunkt interpretierte, um überhaupt anzufangen und nicht die Runde freizugeben. Mein Verdacht, dass er sich an der ca. 20 Minuten nachgehenden Uhr in der Aula orientiert hatte, erhärtete sich nicht, da es am Folgetag nicht anders ablief. Nun ja, am Ende hatten wir unsere Auslosung eben 20 Minuten verspätet und es klappte nachher trotzdem alles problemlos, also halb so wild.
Zum Einstieg kam es nicht zum Favoritenduell, sondern zum Kampf gegen den Gastgeber. Mit Elovorsprung an allen Brettern war klar, was passieren sollte. Es ließ sich auch super an: beide Weißbretter von uns zogen g4.
Bei Johannes war der Computer unglücklich, nach der taktisch nicht funktionierenden Reaktion konnte er aber bereits eine Figur oder eine überwältigende Stellung gewinnen. Der Sieg stand anschließend nie in Frage, selbst wenn es noch eine Weile dauerte.
Bei Martin war es einfach nur Ausgleich, aber er bewies Kampfgeist und spielte weiter, bis er dann schließlich im Endspiel gewann. Zu dem Zeitpunkt war der Kampf schon entschieden, aber wir konnten die Zeit schon nutzen, zum Beispiel um ein Hotel zu buchen. Man will ja optimistisch sein, aber andererseits ist im Pokal vieles möglich. An diesem Tage für unsere Gegner allerdings nicht.
Hinten kannte Kai die Theorie und der Gegner nicht. Eine Stunde Zeitvorsprung in Verbindung mit harmlosen Spiel sorgte bald für Vorteil und selbst wenn Kai die Partie nach eigener Aussage nicht fehlerlos zu Ende spielte, zweifelte niemand am Ausgang.
Blieb nur noch ich, der Garant für gegnerische Punkte an diesem Wochenende... Ausgangs der Eröffnung hatte sich mein Gegner vergaloppiert und musste feststellen, dass ein Springer nicht mehr zu retten war. Der wurde also geopfert für an sich nicht ausreichende Kompensation. Allerdings verpasste ich schon eingangs der ganzen Aktion zwei Wege, um frühzeitig für mehr Klarheit zu sorgen. Danach wurde es schon schwierig, doch mit ein paar guten Zügen und einer Umgruppierung hätte ich nach der Zeitkontrolle immer noch mehr oder minder problemlos den vollen Punkt eintüten können. Jedoch spielte ich erst zu schnell und dann als ich Zeit investierte fand ich den Gewinn trotzdem nicht. Das Remis fühlte sich persönlich wie eine Niederlage an, aber der Erfolg mit der Mannschaft (3,5-0,5) kann darüber gut hinwegtrösten.
Die Suche nach einem Restaurant erwies sich als unerwartet schwierig. An einem Italiener gingen wir vorbei, der nächste war schon voll, der dritte hatte einen Koch vor der Tür, der offenbar motiviert war, uns an einen anderen Italiener zu verweisen ("keine Pizza hier"). Also war es dann der Vierte - der aber auch ein indisches Restaurant hätte sein können. Abseits der Hitze war aber kein Grund zur Klage vorhanden.
Solchermaßen gestärkt und guten Mutes fuhren wir zum Hotel. Lustigerweise mussten wir kurz über die Autobahn fahren, motorisiert war es aber trotzdem nicht weit. Einmal schlafen und mehr oder weniger sinnlos vorbereiten (im Pokal kann beliebig aufgestellt werden) später ging es wieder an die Bretter. Magdeburg hatte Gernsheim sogar 4-0 geschlagen, aber vom Schnitt her waren wir ähnlich stark genug, dass wir an unsere Chancen glaubten.
Vorne machte Johannes schnell Remis. Kaum waren beide aus dem Buch, stand auch schon eine Zugwiederholung auf dem Brett. Dem Magdeburger war es zu riskant weiterzuspielen, Johannes sah keinen guten Weg der Wiederholung auszuweichen. Aber ein Schwarzremis ist ja kein schlechter Start.
Schlecht war dafür, was ich dann produzierte. Die Eröffnung mit Weiß brachte nichts ein und anschließend geriet ich eher schnell schon auf die schiefe Bahn. Dankenswerterweise wurde mein Gegner etwas ungenau und wickelte dann in ein Doppelturmendspiel ab. Dieses war komplex und asymmetrisch, wirkte aber erstmal eher besser für mich. Der Rechner stimmt mir zu, aber meine Züge waren nicht dazu angetan, dass in etwas Handfestes zu verwandeln. Stattdessen übersah ich eine taktische Idee und verlor einen Bauern. Mir der richtigen Reaktion wäre es noch Remis gewesen, aber zur Krönung halluzinierte ich nach dem naheliegenden Zug eine Verlustvariante und übersah den einzigen Gewinnzug nach meinem Zug. Tja, das war nichts...
Aber was ein Glück: es handelte sich schließlich um einen Mannschaftwettbewerb und meine Mitspieler waren großartig!
Kai kam ganz gut aus der Eröffnung, verlor dann aber etwas den Faden. Es fing an ungemütlich auszusehen, aber zwei Dinge sorgten für Hoffnung: das Zeitmanagement des Gegners und Kai sandte seine Dame mit etwas Gegenspielideen ins schwarze Lager. Objektiv ist damit kein Staat zu machen, praktisch wurde es hingegen wieder unklarer. Unter Bauernopfer erlangte Kai die Kontrolle über die offene Linie und es war Genauigkeit von Schwarz vonnöten:

Die hatte der Gegner mit kaum Zeit bei 36...d4?? jedoch vermissen lassen. Es wäre nötig gewesen, die weiße Idee zu verhindern (36...Tc7), denn jetzt folgte 37.Tc8+ Lf8 38.Tbc1! und es droht nicht gut zu verhindern Txf8+ gefolgt von Tc8+ mit Matt.
Ein starker Sieg, der schon im voraus meine sich abzeichnende Niederlage ausglich und damit die Entscheidung an das letzte Brett verlegte (aufgrund der im Pokal angewandten Berliner Wertung wären wir bei Gleichstand raus - Brett 2 zählt mehr als Brett 3).
Dort spielte Martin eine komplexe Partie, die anfänglich etwas gedrückt aussah, dann aber immer besser wurde. Seine Springer hatten gute Felder, er bekam einen gedeckten Freibauern auf der a-Linie und schien die Kontrolle über das Brett zu haben. In der Zeitnotphase versuchte es seine Gegnerin (nach Elo mit 2353 am stärksten bewertet!) mit aktivem Spiel und schaffte es tatsächlich, genügend Gegenspiel zu generieren:

Hier hätte 43.Dh4 Df6 44.Dh7+ Kf8 45.Dh6+! zum typischen 0.00 geführt (es droht Sh7). Stattdessen spielte Weiß zu langsam: 43.f4? a3! 44.Dh4 Df6 45.fxe5 Dxe5 46.Sf3:

Mit dem starken 46...Txf3! eliminierte Martin das weiße Spiel und nach 47.gxf3 a2 gewann er bald das Material mit Zinsen zurück. Ganz einfach und klar war es keineswegs, aber was zählt ist, dass Martin sich am Ende durchsetzte!
Ein hart erkämpftes 2,5-1,5 bedeutete für uns den Sieg in der Gruppe 3 der Vorrunde (siehe https://ergebnisdienst.schachbund.de/bedh.php?liga=dpmm) und die Qualifikation für die Zwischenrunde im März. Auf wen wir treffen ist noch nicht klar, aber es wird eine gute Herausforderung werden!
Ein Dank an das Team, welches großartig gekämpft und gespielt hat!
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